Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flandry 4: Ehrenwerte Feinde

Flandry 4: Ehrenwerte Feinde

Titel: Flandry 4: Ehrenwerte Feinde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
Vom Netzwerk:
Verzeihung bitten, dass ich mich Ihnen in einem Moment großen Verlustes aufdrängen muss.«
    »Ich bin froh, dass Sie hier sind«, flüsterte sie. »So froh.«
    Ihre Worte hatten eine erschütternde Aufrichtigkeit an sich, die beinahe Flandrys höfische Manieren durcheinandergebracht hätten. Mit einer weiteren artigen Verbeugung wich er zurück. »Sie dürfen sich nicht weiter plagen, Eure Ladyschaft. Überlassen Sie die Auseinandersetzung mit den Behörden mir.«
    »Behörden!« Wie eine Explosion brachte das Wort ihre herzzerreißend wenigen Stücke aus terranischem Kristall zum Klingeln. Von ihnen abgesehen dominierten die Muschelschalenkringel einer Kunst den Raum, die seit Jahrhunderten keinen Kontakt zur Erde mehr hatte. »Welche Behörden? Haben Sie ein Regiment mitgebracht?«
    »Nein.« Flandry blickte durch den langgestreckten Raum mit seiner niedrigen Decke. Ein unaufdringlicher, in der Stadt aufgewachsener Butler hatte gerade Karaffe und Gläser an der gitterverzierten, zum Garten hin offenen Wand abgestellt. Nachdem er gegangen war, schien niemand mehr in Hörweite zu sein. Flandry nahm seine Zigaretten hervor und sah die Lady mit hochgezogenen Brauen fragend an. Er bemerkte, dass sie jünger war als er.
    Ihre farblosen Lippen krümmten sich zu einem Lächeln. »Danke«, sagte sie so leise, dass er es fast nicht hörte.
    »Oh? Für was, Eure Ladyschaft? Ich fürchte, meine Anwesenheit kann Ihnen nur ein schwacher Trost sein.«
    »Aber nein«, entgegnete sie und kam näher. Sie reagierte nicht völlig natürlich: Sie war schlicht zu ruhig und zu offen für eine frisch verwitwete Frau, dann plötzlich, aber nur kurz, zu ungestüm. Eine kräftige Dosis Mystizin, vermutete Flandry. Es sah Imperiumsbürger hohen Stands ganz ähnlich, eine chemische Wand gegen Trauer zu errichten, gegen Angst oder … Aber was machst du, wenn die Mauer einbricht?, dachte er.
    »Aber nein«, wiederholte Lady Varvara. Ihre Worte flossen ihr rasch und hochtönend aus dem Mund. »Vielleicht verstehen Sie nicht, Captain. Sie sind der erste Terraner außer meinem Mann, den ich gesehen habe, seit … Wie lange ist das eigentlich her? Es müssen drei nyanzanische Jahre sein, das macht fast vier terranische. Und dieser Besucher war nur ein rotgesichtiger militärischer Legat auf Routinekontrolle. Wen sahen wir sonst noch? Der Stadtmeister und seine Beamten machten jedes Jahr mehrere Höflichkeitsbesuche. Die Seehäuptlinge suchen uns auf, wenn sie zufällig auf Altla weilen … nicht unseretwillen, verstehen Sie, nicht unserer Gunst wegen, sondern weil es unter ihrer Würde wäre, die Form nicht einzuhalten. Unter ihrer Würde!« Ihre Wangen brannten. Sie stand ganz dicht bei Flandry und sah mit funkelnden Augen zu ihm hoch. Wenn sie die Fäuste ballte, spannte sich die Haut über den Knöcheln eines Vögelchens. »Wie man sich genötigt fühlt, die Gegenwart eines ungebetenen Gastes zu Kenntnis zu nehmen!«
    »Also ist das Imperium hier nicht beliebt?«, brummte Flandry.
    »Das weiß ich nicht«, antwortete Lady Varvara mit schwacher Stimme und entspannte sich wieder. »Ich weiß es nicht. Ich weiß nur … die einzigen Menschen, die wir regelmäßig sahen – unsere einzigen Freunde, Gott helfe uns, Freunde! –, waren die Landratten.«
    »Die was bitte, Mylady?«
    »Stadtleute. Techniker. Rosahäute. Wie immer man sie nennen möchte. Wie dieser dicke kleine von Sonderburg.« Ihre Stimme war wieder schrill geworden. »Wissen Sie, wie das ist, Captain, wenn Sie zu niemandem Kontakt haben außer zu einer niedrigeren Klasse? Es färbt auf Sie ab. Ihre Seele wird schmierig. Gerade dieser von Sonderburg … Stets hat er sich bei Hurri Chundra lieb Kind machen wollen … Niemals hätte er sich in meiner Gegenwart eine Zigarre angezündet, ohne mich auf schwerfälligste Weise um Erlaubnis zu bitten – stets mit den gleichen Worten, ich habe sie eine Million mal gehört, bis ich hätte schreien können: ›Erheben Mylady Einwände, wenn ich ein wenig rauche?‹«
    Varvara wirbelte von Flandry fort. Ihre bloßen Schultern bebten. »Erheben Mylady Einwände? Erheben Mylady Einwände? Und dann kommen Sie, Captain … Ich könnte schwören, Sie haben noch Erdenluft in den Lungen. Sie kommen, ziehen das Zigarettenetui hervor und wölben die Augenbrauen. Einfach so. Weiter nichts. Eine Gebärde, die wir zu Hause alle benutzt haben, ein Ritual, das auf der Voraussetzung beruht, dass ich Augen im Kopf habe und sehe, was Sie tun, und die nötige

Weitere Kostenlose Bücher