Flandry 6: Schattenwelt
sehe, kommen Sie so sauber raus wie … wie eine Messerklinge … Aber natürlich sind Sie voller Leben, Sie waren verliebt, und …« Plötzlich warf er den Kopf in den Nacken und lachte. »Ach, Höllenblitz! Ich hatte Angst, Sie könnten mich dazu bringen, dass ich stammele wie ein Schuljunge.«
»Ich bin nicht ärgerlich auf Sie. Haben Sie mich nicht gerettet? Heilen Sie mich nicht?« Sie sammelte ihre Entschlossenheit. »Ich musste angestrengt nachdenken, bis mir klar wurde, dass nichts an mir Sie überraschen könnte.«
»Oh, da wäre eine Menge. Und es überrascht mich.« Ihre Blicke trafen sich.
»Vielleicht können Sie uns ein wenig angleichen«, sagte sie durch den zunehmenden Trommelschlag hinweg. »Mir ein wenig von Ihrer Vergangenheit erzählen, damit ich weiß, wie Sie unter dem Flexpanzer, den Sie immer tragen, wirklich sind.« Sie lächelte. »Im Tausch helfe ich Ihnen bei Ihren Sprachlektionen und erzähle Ihnen Geschichten über Dennitza, die nicht in Ihren Akten stehen. Ich habe mich in letzter Zeit einsam gefühlt, Dominic.«
»Wir beide«, sagte er wie benommen.
Chives brachte ein Omelette und frisches Brot.
Bei einem Händler in Thursday Landing mietete Kossara sich einen Flugcamper samt Ausrüstung, kaufte Vorräte und Reiseführer und erbat sich Rat. Informationen benötigte sie sowohl um ihrer selbst willen als auch zur Tarnung. Auf der langen Reise nach Diomedes – dreifaches Umsteigen zwischen Frachtern, die auch Passagiere beförderten – hatte sie alles Material, das die Shkola in Zorkagrad über die Diomedes zu bieten hatte, in sich aufgenommen. Viel war es nicht. Es wäre durchaus möglich gewesen, dass sie gar nichts erfahren hätte, wäre der Planet nicht so ungewöhnlich gewesen, dass er in einigen Kursen als ein Interesse weckendes Beispiel verwendet wurde. Sie erfuhr astronomische, physikalische, chemische, topologische, meteorologische, biologische, ethnologische, historische, ökonomische und politische Besonderheiten; sie erlernte einige Redewendungen in mehreren verschiedenen Sprachen, ohne ihre Grammatik oder Semantik zu erfassen; ihr Wissen war der Zweig, an den sie sich über dem windigen Abgrund ihres Unwissens klammerte, was eine ganze Welt betraf.
Nach einigen Tagen, in denen sie ein Gefühl für die Bedingungen erlangte, flog Kossara mit Trohdwyr nach Lannach. Der Resident hatte es ihnen nicht ausdrücklich verboten. In den Städten an der Sagnabai schritten sie zwischen den hageren, hohen Bauwerken des geflügelten Volkes und suchten nach denen, die Anglisch verstanden und willens waren, ein wenig offen zu reden. »Wir kommen von dem Planeten Dennitza. Wir möchten herausfinden, wie wir mit einem Volk, das Ihnen ähnelt, Freundschaft schließen und Freunde bleiben können …«
Eonan der Kommissionär erwies sich als hilfreich. In zunehmendem Maße versuchte Kossara ihn auszuhorchen, und es kam ihr vor, als versuchte er das Gleiche bei ihr. Ob er in die Umsturzbewegung verwickelt war oder nicht, er konnte durchaus fürchten, sie arbeite für das imperiale Nachrichtenkorps, um seine Kameraden in die Falle zu locken. Und dennoch erregte der Name ›Dennitza‹ unverkennbar mehr als nur ein Individuum, so rasch die Diomedaner ihre Reaktion auch zu verbergen wussten.
Wie fern Dennitza ihr vorkam, ertrunken in fremden Sternbildern! Bei Nacht pflegten sich sie und Trohdwyr lange in ihrem Camper über die alten und die zukünftigen Tage auf der Heimatwelt zu unterhalten; er sang ihr dann seine rauen Ychanlieder vor, und sie rezitierte die Gedichte Simichs, die er liebte – bis schließlich ein innerer Frieden zu ihnen beiden fand und sein Geschenk des Schlafes mitbrachte.
Flandry kleidete sich zum Abendessen grundsätzlich um. Er legte Wert auf sein Äußeres; dadurch ließ sich leichter eine Atmosphäre schaffen, die betonte, wie sehr er das Essen und den Wein schätzte; und Chives hätte ihm, höflich zwar, die Hölle heißgemacht, wenn er es bleiben ließ. Kossara erschien gewöhnlich in der Kleidung, die ihr in die Hände fiel, wenn sie aus dem Bett kam. Um sie in ihrer Trauer nicht zu kränken, begnügte Flandry sich mit der blauen Uniformjacke mit roter Schärpe, weißen Hosen und weichen Halbstiefeln, die das Reglement als Messekleidung eines menschlichen Offiziers vorsah.
Als sie in Abendgarderobe den Salon betrat, hätte er fast den Cocktailshaker fallengelassen. Innerhalb der gedämpften Eleganz, die sie umgab, überstrahlte Kossara plötzlich
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