Flandry 6: Schattenwelt
Kossara bedrohen.
Steve Johnson lächelte. Er spreizte die leeren Hände und erwiderte: »Natürlich sind Sie durcheinander. Kommen Sie bitte herein, wo es wärmer ist, und wir erklären Ihnen alles.« Der Rest benahm sich ähnlich freundlich.
Ihre Geschichte war recht simpel. Auch sie waren Imperiumsbürger und stammten von Esperance, einem Planeten, der nicht allzu weit von Diomedes entfernt lag. Seine pazifistische Tradition wahrend, war er in den Erbfolgekriegen neutral geblieben und hatte verkündet, er werde demjenigen Gefolgschaft schwören, der Frieden und Gesetz im Imperium wiederherstelle. (Kossara nickte. Von Esperance hatte sie gehört.) Allerdings erfordere diese Politik ein gewisses Maß an Bewaffnung und sehr viel Agitation und Aktionismus auf fremden Welten. Die Esperanzaner hatten sich daher angewöhnt, eine tätigere Rolle zu spielen als früher. Die Bedingungen blieben auch nach Hans’ Thronbesteigung so turbulent, dass man diese Gewohnheit beibehielt.
Als der Nachrichtendienst Gerüchte von ythrianischen Versuchen hörte, auf Diomedes die Revolution zu entfachen, war die esperanzische Regierung auf der Stelle besorgt. Esperance liegt an der Grenze zwischen Imperium und der Domäne von Ythri. Agenten wurden auf Diomedes eingeschmuggelt, um die Wahrheit auszuspionieren – diskret, denn Gott allein wusste, wie sich ein vorschnelles Aufdecken auswirken konnte. Johnsons Gruppe war solch ein Trupp.
»Unsere Vorgänger erfuhren, dass Dennitzaner verantwortlich sind«, sagte er. »Keine Avaloner, die Ythri dienen, sondern dennitzanische Menschen, die ihrem Kriegsherrn dienen!«
»Nein!«, warf Kossara entsetzt ein. »Das ist nicht wahr! Und er ist kein Kriegsherr!«
»So behaupteten es die Eingeborenen, Mademoiselle Vymezal«, erwiderte die asiatisch aussehende Frau milde. »Wir entschieden, uns versuchsweise als Dennitzaner auszugeben. Unser Projekt hatte genügend über den Untergrund herausgefunden – die Namen verschiedener Mitglieder zum Beispiel –, dass diese Täuschung durchführbar erschien, solange die Autochthonen den Unterschied nicht bemerkten. Ihre Reaktion auf uns weist darauf hin, dass sie … Nun, sie haben Grund zu der Annahme, dass Dennitzaner ihre Bewegung antreiben. Wir haben sie … angeführt und Informationen gesammelt, ohne wirklich mit einer paramilitärischen Ausbildung zu beginnen. Als Eonan uns benachrichtigte, dass eine bedeutende Dennitzanerin eingetroffen sei, offen, aber mit Andeutungen, sie könnte mehr sein als nur eine Wissenschaftlerin – nun, natürlich weckte das unser Interesse.«
»Nun, diesmal wurden Sie getäuscht«, platzte Kossara heraus. »Ich bin hier, um … um genau diese Vorwürfe zu widerlegen, die man uns macht. Der Gospodar, unser Staatsoberhaupt, ist mein Onkel und hat mich als seine persönliche Vertreterin losgeschickt. Ich sollte es doch wohl wissen, oder? Und ich sage Ihnen, er ist loyal. Wir alle sind loyal!«
»Warum gibt er es nicht bekannt?«, fragte Johnson.
»Oh, er macht ja offizielle Verlautbarungen. Aber was sind sie schon wert? Über vierhundert Lichtjahre hinweg … Wir brauchen Beweise. Wir müssen erfahren, wer uns anschwärzt, und weshalb.« Kossara hielt inne und lächelte traurig. »Ich will gar nicht vorgeben, ich könnte viel herausfinden. Ich bin hier als … als Vorbotin, als Kundschafterin. Dieses Sonderteam der Navy, das von Thursday Landing aus arbeitet – haben Sie davon schon gehört? – … vielleicht wird es uns ohne unser Dazutun entlasten. Vielleicht ist es schon geschehen. Der Befehlshaber gab sich mir gegenüber nicht misstrauisch.«
Johnson tätschelte ihr die Hand. »Ich halte Sie für ehrlich, Mademoiselle«, sagte er. »Und Sie könnten sogar recht haben. Wir wollen austauschen, was wir herausgefunden haben – und in den Pausen können Sie sich unter freiem Himmel erholen. Sie wirken abgespannt vom Weltraum.«
Die nächsten drei dunklen Frühlingstage waren angenehm. Bald trugen Kossara und Trohdwyr in der Höhle keine Waffen mehr.
Flandry seufzte. »Aycharaych.« Er berichtete ihr einiges über seinen alten Gegenspieler. »Wer sonst? Masken hinter Masken, Schatten, die selbst Schatten werfen … merseianische Agenten, die sich als Esperanzaner ausgeben, welche Dennitzaner spielen, deren Kameraden zuvor als Avaloner posiert hatten, während andere merseianische Kreaturen wirklich die terranischen Navysoldaten sind, die zu sein sie behaupten … Jawohl, ich verwette meine Chance auf einen
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