Flandry 6: Schattenwelt
einen blauen Riesenstern und die mannigfaltigen zierlichen Nebel, die den Sichtschirm beherrschten. Burgunderrotes Velvyl umhüllte jede Kurve ihres hochgewachsenen Leibes, von tief über dem Busen bis zu den silbrigen Schuhen. Eine Halskette aus Gagat und Türkis, ein goldener Armreif funkelten auf elfenbeinerner Haut. Ein Diamantendiadem und Kristallohrringe betonten das rötliche Haar, aber einige Sommersprossen um die Stupsnase bewahrten das Gesicht mit den großen Augen, hohen Jochbeinen und dem vollen Mund davor, allzu sehr wie das Antlitz einer Königin zu erscheinen.
»Nom de Dieu!«, keuchte Flandry, und ihm ertönte es: Jawohl, Gott, von dem die Gläubigen sagen, er habe alle wunderbare Schönheit erschaffen. Sie bricht über mich herein und zieht mich fort wie eine sonnenfunkelnde Brandungswelle. »Frau, das ist nicht fair! Du hättest einen Trompeter schicken sollen, der dich ankündigt.«
Sie lachte leise. »Ich fand, es ist höchste Zeit, dass ich Chives die Höflichkeit erweise, seine Kochkunst gebührend zu würdigen. Er hat mich gestern eingekleidet und versprochen, sich heute in der Küche selbst zu übertreffen.«
Flandry schnalzte kopfschüttelnd mit der Zunge. »Nur schade, dass ich den Gerichten heute kaum Aufmerksamkeit schenken kann.« Hinter seinen Worten schmerzte ihn das Entzücken.
»Das wirst du schon. Ich kenne dich, Dominic. Und ich ebenfalls.« Sie drehte eine Pirouette. »Dieses Kleid ist wunderschön, nicht wahr? Wieder eine Frau zu sein …« Die Luft trug einen Hauch ihres Parfüms zu ihm, während sie auf den Violinklängen tanzte.
»Dann fühlst du dich geheilt?«
»Ja.« Sie wurde nüchterner. »Ich spüre, wie in den letzten Tagen immer mehr Kraft zurückkehrt, die Kraft froh zu sein.« Ein Schritt trug sie zu ihm. Er hatte den Mixbecher abgestellt. Sie nahm ihn bei den Händen – die Berührung strahlte durch ihn hindurch –, und er sagte ernst: »Oh, ich habe nicht vergessen, was geschehen ist, oder was bald geschehen mag. Aber das Leben ist schön. Ich möchte seine Güte feiern – mit dir, der sie mir wiedergebracht hat. Dafür kann ich dir niemals genügend danken, Dominic.«
Und ich kann niemals genügend für deine Existenz danken, Kossara. Trotz allem, was ihr unter der Maschine entschlüpft war, blieb sie ihm zu geheimnisvoll, als dass er riskiert hätte, sie zu küssen. Er nahm Zuflucht: »Doch, das kannst du. Du kannst deine Grenzer-Standhaftigkeit, deine Umsicht, deinen gesunden Menschenverstand, deine Prinzipientreue et cetera ablegen und ein bisschen frivol sein. Wenn du nicht weißt, wie das geht mit der Frivolität, dann achte einfach auf mich. Später kannst du es nach Herzenslust missbilligen, aber heute Abend wollen wir die Vorsicht in den Wind schlagen, drei-Komma-eins-vier-eins-sechs-fach Hoch rufen und respektlos über die Kleine Magellansche Wolke herziehen.«
Lachend gab sie ihn frei. »Hältst du uns Dennitzaner wirklich für so steif? Ich würde uns ganz munter nennen. Warte, bis du auf einem Fest gewesen bist oder bis ich dir beibringe, Luka zu tanzen.«
»Warum nicht jetzt? Das macht mehr Appetit.«
Sie schüttelte den Kopf. Das Diadem funkelte, was er nur am Rand bemerkte, weil er nur ihre Augen sah. »Nein, ich würde das Kleid entweder zerreißen oder rausploppen wie ein Korken. Unsere Tänze sind alle sehr lebhaft. Mancher sagt, das müssten sie sein.«
»Die Aussicht, es von dir gezeigt zu bekommen, bewegt mich dazu zuzugeben, dass einiges für eine Eiszeit spricht.«
Tatsächlich waren die Sommer warm, wo sie lebte. In der Wüste Pustinja weiter südlich war es oft heiß. Ein Planet ist zu groß, zu vielseitig, um mit einem einzigen Konzept wie ›Eiszeit‹ beschrieben zu werden.
Flandry gingen die Fakten durch den Kopf, die er sich angelesen hatte, wie ein trockener Kommentar zu der Lebhaftigkeit vor ihm. Er würde sie nicht vollends kennen, ehe er nicht das Land, die See und den Himmel kannte, die sie geschaffen hatten; die Daten waren jedoch ein Anfang. Zoria war eine F8-Sonne, um ein Drittel leuchtstärker als Sol. Dennitza, etwas kleiner als Terra, umkreiste sie in kaum größerem Abstand und hätte wärmer sein müssen – und so war es für den größten Teil seiner Existenz auch gewesen. Wasserverlust durch Ultraviolettspaltung hatte dazu geführt, dass nur etwa die halbe Oberfläche von Ozeanen bedeckt war. Dies, eine Achsenneigung von 31° und ein 18,8-Stunden-Tag führten zu Wetterund Klimaextremen. Grundsätzlich
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