Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)
pränatale Rendite-Phase hatte gerade erst angefangen. Wie hieß noch dieser schöne Werbespruch? »Incredible India!« Ganz genau! So sah sie das auch.
Sandra hatte jetzt alles, was sie brauchte, um die nächsten Stunden glücklich zu sein. Cola, Pommes mit Ketchup und ein Eis, dazu vier Frauenzeitschriften, die irgendwie alle fast das gleiche Titelbilder hatten, knutschende Promipärchen aus Hollywood beim Urlaub mit Baby am Strand oder andere grinsende Pärchen, getrennt schwanger knutschend frisch verliebt beim Shoppen.
Außerdem hatte Sandra eine Hörspiel-CD der Drei Fragezeichen, einer Krimireihe für Kinder, gefunden. Sie sang die Musik: »Justus Jonas, Peter Shaw … Bob Andreeeews!« Sie hatte eine der wenigen Folgen gefunden, die sie noch nicht kannte.
Auch gab es einen neuen knallroten Lutscher, diesmal mit Kaugummi in der Mitte und neongrünem Brausepulver, das auf der Zunge prickelte und kitzelte.
»Die haben hier so tolle Sachen!«, jubelte Sandra im überfüllten, dampfigen Tankstellenshop kurz vor Innsbruck.
Mit auf die Reise ging des Weiteren ein dickes Kreuzworträtselbuch und ein seltsames kleines Stofftierchen namens Gipfelpoldi, das ihnen ab jetzt Glück bringen sollte.
»Der is sooo süß, kuck ma!«, sagte sie und stupste dem schrumpeligen Etwas, Made in China, die Plastiknase ein.
Heiko bezahlte die unüberschaubare Wundertütensammlung seiner Traumfrau, während die Augen des Kassierers nur zwischen der Kasse, den einzelnen Sachen und den vielen anderen Kunden in dem belebten Tankshop hin und her zuckten, ohne dabei auch nur einmal jemandem in die Augen zu sehen. Der Mann war ein Roboter und Heiko nur das Glied einer endlosen Kette von Kunden. Alle waren gleich, dumme Kühe am selben Futtertrog, kurz bevor ihnen die Milch abgezapft wurde, dachte sich Heiko. Ja, er konnte nicht anders, manchmal hatte er was Philosophisches.
»Von wegen Benzinwut und Krise, was? Sind ja doch wieder alle von zu Hause abgehauen«, sprach Heiko den Kassierer kumpelhaft an.
Heiko war anders, besonders. Er stach heraus aus der bemitleidenswerten Masse. Er reiste schließlich im teuren Anzug. Nicht so wie alle anderen Männer hier, ohne jeglichen Stil, komplett im Trainingsanzug. Dazu ihre dicken Frauen und Mütter. Manche der Frauen setzten selbst die flexibelsten Sporthosen einer harten Belastungsprobe aus.
Ohne auch nur im Ansatz auf Heiko einzugehen, fragte der Kassierer, vom steif gebügelten Shirt seines Arbeitgebers in Form gezwängt, stoisch nach der PIN-Nummer und ob Heiko irgendwelche Punkte sammle?
Heiko gab den Kassierer auf und musterte weiter unangenehm berührt das Volk um sich herum.
Wo stand eigentlich geschrieben, dass Ehefrauen in Deutschland alle die gleichen kurzen, abgefressenen Haare tragen mussten? Überall dieser »flippige« verfranste Topfschnitt. Oft wusste man von hinten gar nicht, wer die Frau und wer der Mann war. Aber da gab es einen Trick, meistens war der größere Hintern ganz klar die Frau.
Nein, wenn er und Sandra mal heirateten, dann würden sie jung und sexy bleiben, ein Leben lang. Sandra würde ihr Haar immer lang tragen und ihr Hintern immer knackig bleiben, zwei kugelrunde Wassermelonen. Am besten, er würde das in den Ehevertrag schreiben lassen.
Er verließ den Tankshop und fasste sich kurz ans glattgebügelte Revers seines bequemen blauen Sakkos. Die kleine Schatulle war noch da, er konnte sie spüren. Bei der richtigen Gelegenheit würde er Sandra in dem Ferienhaus ein Candlelight-Dinner zaubern, vor ihr auf die Knie gehen und ihr die Ringe zeigen. Sie würde sprachlos vor Rührung weinen und dann, natürlich völlig überwältigt, »Ja« sagen. Er hatte alles genau geplant. Heiko bewunderte sich.
Sandra war schon beim Wagen, und er öffnete von weitem mit dem Sensor lässig die Verriegelung. Er liebte diese Dinger.
Sein zufriedenes Grinsen gefror, denn plötzlich sah er, wie der alte BMW von zuvor auf eine Zapfsäule zurollte. Es würde ihn nicht wundern, wenn der träge Oldtimer schlappgemacht hätte.
Heiko ging weiter zu seinem Wagen, sehr darauf bedacht, möglichst unbekümmert zu wirken. Kaum jedoch war er an seinem vollgetankten Audi angekommen, als der BMW ausgerechnet an der Zapfsäule direkt neben ihm zum Stehen kam.
Die Frau stieg aus, und jetzt klingelte es auch bei ihr.
Sie war schlank, groß gewachsen und schick, vielleicht etwas spießig gekleidet. Mit gut sitzender Jeans, grüner Bluse, dunkelgrünem Cardigan und einem Seidentuch um
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