Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)
ihren schlanken Hals gewickelt, an dem sich die Sehnen elegant abzeichneten. Schönes langes Haar, so wie er es mochte. Anfang dreißig, nicht viel älter, schätzte er. Sie war hübsch, hatte stechend grüne Augen und eine hohe Stirn, hatte ein toll geschnittenes Gesicht, das musste er ihr lassen. Nur die Nase war vielleicht etwas zu lang oder vielmehr streng.
Während er gekonnt lässig seine Autotür öffnete und langsam einstieg, musterte sie nun auch ihn. Ihre Blicke trafen sich, wie die zweier Boxer kurz vor dem großen Kampf. Keiner durfte auch nur eine Spur von Schwäche zeigen.
Konzentriert cool setzte Heiko sich in seinen Wagen und warf den Motor an. Er lächelte Sandra an, die gerade dabei war, die Hörspiel-CD auszupacken, und schon freudig die Titelmelodie vor sich hin summte.
»Bob Andreeeews!«
Er fuhr sportlich los, natürlich nicht ohne dabei in den Rückspiegel zu sehen. Die Frau sah ihm hinterher. Na klar. Er kraulte Sandra am Nacken und sagte sanft: »Ich liebe dich, Kleines.«
Anna steckte den Tankstutzen in die Tanköffnung. »Was für ein Armleuchter!«, dachte sie. Wie groß war eigentlich die Wahrscheinlichkeit, dass man sich so wieder begegnete?
»Soll ich dir was mitbringen?« Carlo war auf dem Weg zum Tankshop.
»Nein, danke!« Sie überlegte kurz. »Doch, Zigaretten und ein paar Wirtschaftszeitungen!«, rief sie ihm hinterher.
»Cappuccino!«, murmelte Elli, weiterhin vertieft in die SZ.
Eigentlich wollte Anna tatsächlich mal abschalten in Italien. Aber ein bisschen in den Eitelkeitsgazetten der Manager blättern konnte nie schaden und war immer wieder äußerst amüsant. Mit jeder Ausgabe präsentierten sich andere Gesichter als die neuen Heilsbringer mit dem großen Durchblick und der unerschütterlichen Kompetenz, auch jetzt noch nach der großen Krise. Kein Hauch von Selbstkritik oder gar schlechtem Gewissen. Es ging munter weiter wie eh und je. Zumindest nach außen. Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Sie kannte einige von ihnen nur zu gut. Mit manchen hatte sie sogar studiert. Andere wiederum hatten schon das eine oder andere Mal mit ihr in einem Konferenzraum gesessen. Die Glücklichen neben ihr, diejenigen aber, die Pech hatten, saßen ihr gegenüber und hatten fast immer verloren, oder es kam sie sehr teuer zu stehen.
Sie sah auf die Zapfsäule. Unglaublich, was der alte Wagen schluckte.
Wieder schaute sie dorthin, wo gerade der halbstarke Audi-Fahrer beschleunigt hatte, durch eine Gasse von blassen, sonnenhungrigen Familienkutschen und Wohnwagen hindurch. Wie lächerlich! Wenn tatsächlich jeder zweite Sportwagen eine Penisverlängerung war, dann gab es aber verdammt viele Männer, denen Mutter Natur übel mitgespielt hatte.
Das arme junge Ding, das neben ihm gesessen hatte. Sie verstand die Frauen nicht, die sich mit Profilneurotikern einließen. Selbst im Bett versuchten diese vermeintlichen Hengste ihre eingebildeten Pferdestärken voll auszuspielen, wobei das meistens in einem einschläfernden Springreiten auf dem Ponyhof endete.
Carlo kam freudestrahlend zurück. Er war vollbepackt. Im Mund hatte er jetzt eine Zigarre.
»Tiroler Salami und Schüttelbrot. Dazu ein hervorragender Grüner Veltliner, hier aus der Region. Außerdem eine Melange to go und Manner mit Zitronenfüllung für mein Schwesterherz.«
Man hätte ihn glatt für den Weihnachtsmann halten können, so verteilte er seine Gaben.
»Du bist, glaube ich, der Einzige, der Wein nach Italien mitnimmt«, amüsierte sich Elli.
»Ich weiß schon, das ist wie mit dem Schnitzel zum Metzger.«
Es hätte Elli auch sehr gewundert, hätte Carlo nicht wieder irgendwelche Spezialitäten gefunden.
»Na, falls mia a Jausen machen woiln!«
Carlo spielte den Tiroler, das konnte er gut.
Anna schmunzelte und fragte dann mit gespielter Überraschung:
»Was hast du denn da für ein Buch?«
Es klemmte unter seinem Arm.
»Der Alpenhauptkamm, eine kulinarische Panoramareise für Genießer«, las er ihnen stolz vor. »Und für dich ein halbes Dutzend Wirtschaftsbibeln. Aber wehe, du liest auch nur eine davon!«
Schließlich war das ihr Urlaub.
Im Grunde hatte er völlig recht. Sie hatte zuletzt so viel gearbeitet wie vielleicht noch nie in ihrem Leben. Wenigstens die nächsten zwei Wochen musste sie abschalten, komplett, und sich endlich für sich Zeit nehmen. Da gab es nämlich einiges zu klären in ihrem Kopf. Nicht nur die bevorstehende Trennung.
Sie blickte auf ihr Handy: achtzehn neue E-Mails.
»Geil, die
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