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Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)

Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)

Titel: Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Friedmann
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sich, mit der Welt.
    Es war die pure Farce. Alles. Das wusste Lutz mittlerweile todsicher. Immobilienkrise, Bankenkrise, Finanzkrisen, Eurokrise, Dollarkrise, Demokratiekrisen, alle Krisen, ein riesiges Geschäft. Hinter allem steckte Methode. Keine Börse crashte aus purem Zufall. Die Welt war zur Spielbank verkommen, in der Hand von skrupellosen Casinobetreibern. So sah es aus. Ihm konnte niemand mehr was vormachen. Danke an das World Wide Web! Noch stand dort alles zu lesen. Man musste sich eben nur die Mühe machen, es zu suchen. Lutz hatte großen Respekt vor dem Wikileaks-Gründer, Assange. Doch längst gab es weit bessere Foren. Er war auf eine schier unglaubliche Flut an Dokumenten gestoßen, Strategiepapiere, Protokolle, geheime Pläne, Seilschaften, Abkommen, korrupte Geschäfte, es nahm kein Ende. Und es sah leider ganz so aus, als verstünde allein er es, all diese Informationen zu verknüpfen. Nur er verstand den Masterplan, der einige wenige unvorstellbar reich und mächtig und die breite Masse arm und hilflos machen sollte. Marionetten, kinderleicht zu manipulieren.
    Anfangs hatte er nur für seine Magisterarbeit recherchiert. Die allerdings war längst fertig. Schon vor vielen Monaten hätte er sie abgeben können. Aber das hatte er nicht getan, denn sie war für ihn das ideale Alibi, sich seiner eigentlichen Arbeit zu widmen, seiner großen Abrechnung, seiner allumfassenden Enthüllung. Im Urlaub würde er sein Werk vollenden.
    Aber jetzt drängte die Natur, und zum Glück kündigte ein Schild einen Rastplatz an.
    »Ich muss mal pinkeln.«
    »Okay, Boxenstopp!«
    Sie war einfach immer bester Laune. Sein Ein und Alles. Der einzige Mensch, der ihn verstand und dem er vertrauen konnte.
    »Die Zeit läuft, Schumi!«, rief sie ihm hinterher.
    Tinas Handy blinkte auf. Als sie auf das Display sah, erkannte sie die Nummer von diesem Pierre, einem aufgehübschten Modedesigner aus Berlin Mitte. Mein Gott, konnte er sie nicht endlich in Ruhe lassen? Nur weil sie einmal mit ihm geschlafen hatte, gab das ihm noch lange nicht das Recht, ihr ständig irgendwelche dämlichen Nachrichten zu schicken.
    »Ich kann dich immer noch riechen«, hatte er geschrieben. Na, wie einfallsreich. Und das nach, wie lang war es her? Zehn Tage?
    Außerdem war sie im Urlaub. Also, manche Männer kapierten wirklich gar nichts.

2. Kapitel
    Ab dem Brenner hatte Elli ihre Artikel zur Seite gelegt und schaute seitdem zwischen Bewunderung und Abscheu pendelnd aus dem Fenster. Es tat ihr weh, zu sehen, wie die behutsam über Jahrhunderte sinnlich geformte Kulturlandschaft von der Idiotie der Gegenwart rücksichtslos zermürbt wurde.
    Bei Rovereto hatten sie die Autobahn verlassen, seitdem glitt Anna mit dem BMW über die Landstraßen, über Felder und durch kleine Ortschaften, begleitet von bewundernden Blicken. Sie kurvten bald durch die Berge nördlich des Gardasees, und ein pittoreskes Dorf folgte dem anderen. Elli ging das Herz auf. Man fand sie noch, die unübertroffene, alte italienische Baukunst. Aber sie wurde brutal in die Enge getrieben, von den immer gleichen, unverschämt stupiden industriellen Zweckbauten und immer gleichen plumpen Wohnsilos. Infantil bunte Farben und Formen, wie man sie ebenso in Gütersloh, der ostdeutschen Aufbausteppe oder überall in der modernen Welt finden konnte. Elli empfand Trauer beim Anblick dieser brutalen Gleichgültigkeit gegenüber dem baulichen Erbe und den Menschen an sich. »Verdammte Legoarchitektur«, grummelte sie vor sich hin. »Die gehören alle ins Gefängnis.«
    Legoarchitektur war Ellis Überbegriff für all die klobigen Bausünden, die vom kurzsichtigen Profit besoffene Bauherren und ihre sich anbiedernden Architekten in zerstörerischer Allianz überallhin würfelten. Sie alle hatten in ihrer Kindheit offensichtlich zu lange mit den bunten Plastikklötzen aus Dänemark gespielt und fanden das, was sie damals mit ihren Vorschuljahren zusammengesteckt hatten, heute immer noch »schön«. Dabei war »schön« an sich schon so ein jämmerliches, nichtssagendes Wort. Genauso wie »lecker« oder »toll«, dachte Elli. Essen war immer »lecker« und alles andere »schön« oder »toll«. Mehr fiel den Menschen nicht ein.
    Diese Ignoranz war es, die ihr das Leben als Architektin von Anfang an manchmal zur unerträglichen Qual gemacht hatte. Elli liebte intelligent und raffiniert geschnittene Gebäude oder harmonisch geschwungene Landschaften. Es verschaffte ihr die höchste Befriedigung,

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