Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)
nach vorne ins Tal, schweigend. Ein weiterer Windzug raschelte durch die Baumkronen, ansonsten hatten sich ausnahmsweise selbst die so paarungswilligen Zikaden eine Pause gegönnt. Fast absolute Stille.
»Wann verlässt du Carlo?«, fragte Elli ruhig.
»Wie bitte?« Anna war völlig überrumpelt. Woher wusste Elli Bescheid?
Drei leere Flaschen zeugten davon, dass der Tropfen so schlecht nicht sein konnte. Längst hatte der mächtige Rotwein die Zungen gelöst, und bis auf Tina, die das Geschirr wusch, saßen alle um den Holztisch herum. Selbst Heikos fachmännische Kritik war verstummt. Im Gegenteil, das Weingut, meinte er, das müsse er sich merken.
Der Raum schien dunkler zu sein als zuvor, dazu gemütlicher und sehr lebendig. Gesprächsfetzen wurden hin und her geschossen wie Kugeln auf einem Billardtisch. Keine der Kugeln jedoch wurde versenkt, vielmehr konnte man froh sein, wenn man mit dem Queue die weiße Kugel traf, anstatt über den grünen Filz zu kratzen. Eigentlich sprachen alle meist aneinander vorbei.
Nur Lutz, der hatte sich ganz auf Heiko eingenordet. »Oho, Versicherungen! Geniales Konzept! Geld einsammeln fürs Nichtstun. Und wenn sie doch mal dran wären, finden sie garantiert eine Klausel, um nicht zahlen zu müssen. Obendrein erhöhen sie die Gebühr.«
Es sah nicht danach aus, als würden er und Heiko Blutsbrüder werden. Der verteidigte seinen Job. Man nenne das schlicht Selbstbeteiligung beziehungsweise Schicksal. Ein Leben ganz ohne Risiko und Eigenverantwortung gebe es nun mal nicht. Der Gedanke sei ja auch lächerlich.
Doch Lutz ließ nicht locker. »Risiko? Komisch, dass die immer gewinnen, oder?« In Berlin gehörten diesen Samaritern ganze Straßenzüge!
In München schon auch, da musste Carlo dem Berliner zur Abwechslung zustimmen. Mit Immobilien kannte Carlo sich aus, schließlich hatte er selbst ein paar Mietshäuser von seinem Vater geerbt.
Lutz war inzwischen zu der Überzeugung gekommen, dass die anderen doch nicht irgendwelche Agenten oder Ermittler waren, die ihm etwas vorspielten, um ihn auszuhorchen. Die waren ja alle viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Daher sah Lutz auch keinen Grund mehr, sich mit seiner Meinung zurückzuhalten.
»Immer das gleiche Spiel, die Verluste werden sozialisiert und die Gewinne kapitalisiert. Geld, Macht und Gesetz, alles bald nur noch in der Hand von ein paar Mafiosi in Anzügen. Ein globaler Betrug ist das. Scheiß Gier!«
»Ich find Mafiafilme toll!« Sandra wollte auch etwas beisteuern.
»Hör doch auf mit den naiven Parolen. Ich seh schon, du hast keine Ahnung.« Heiko fühlte sich als einer der hoffnungsvollsten Vertreter der weltweiten Finanzwelt natürlich angegriffen.
»Ich habe das studiert, mein lieber Heiko!«
»Schon seit über zehn Jahren«, scherzte Tina.
»Und wer finanziert dein Dauerstudium?« Das letzte Wort hatte Carlo bewusst betont und vorwurfsvoll in die Länge gezogen. Von so faulen Phrasendreschern wie Lutz hielt er gar nichts. Die lagen allen auf der Tasche und beschwerten sich dann auch noch lauthals.
»Mit Sicherheit nicht Heikos ach so selbstlose Versicherung. Die mit Sicherheit nicht.« Das hatte Lutz gerade noch gefehlt, sich von einem Münchner Bonzen belehren zu lassen.
»Allianz hat uns in München ein prima Stadion hingestellt«, gab Carlo halb im Spaß zu bedenken.
Heikos Hand schlug zustimmend auf den Tisch. »Na bitte!« Auch wenn er Carlo nur ungern auf seiner Seite hatte.
»Wusstet ihr, dass sich dieser italienische Stürmer von seiner Freundin, dem Model, getrennt hat? Oder genauer, sie von ihm?«, fiel Sandra dazu ein.
»Da schau her!« Für Carlo war das offensichtlich eine hochinteressante Neuigkeit. Wobei er sich fragte, ob der teuerste Einkauf des FC Bayern deswegen in letzter Zeit so schlecht traf?
Von der Ignoranz seiner Zuhörer frustriert, übertrieb es Lutz absichtlich mit seiner Begeisterung. »Mann, toll! Das ist ja ein Ding! Also wirklich!«
»Schluss? Warum? Weil er keine Tore mehr geschossen hat? Hat wohl der richtige Bumms gefehlt, wat?«, frotzelte Tina.
Sandra schüttelte den Kopf, sie war bestens informiert. »Ne, weil er nach jedem Spiel ne andere vernascht hat.«
Dann müsse sich die Freundin einen neuen Verein suchen oder ihre Handtaschen in Zukunft selbst kaufen, lästerte Tina und trocknete sich dabei die Hände ab. »Is das mein Glas, ja?«
»Keine Sorge! Die macht doch Werbung für Prada oder Chanel, oder Dior?« Sandra hatte plötzlich eine kleine
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