Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)
Republik«, motzte er. »Wie war euer Spruch? Laptop und Lederhosen! Was kommt als Nächstes? iPad und Sepplhut?« Er wollte Carlo auf keinen Fall das Feld überlassen. Nur weil der sich als Chefkoch aufspielte und für sie alle so ein lächerliches Risotto zusammenpanschte. Gerade diese kleinen Gesten durfte man nicht unterschätzen. Gruppendynamik. Das hatte Heiko einmal in einem Vertriebsleiterseminar gelernt, in einem blaugrauen Konferenzraum, in einem blaugrauen Hotel, mit blaugrauer Bettwäsche, auf der er die Seminarleiterin nach allen Regeln der Kunst besinnungslos geknallt hatte. Susi Walter, ja genau! Was für ein dankbares, biegsames Geschöpf die war. Und beim Orgasmus hatte sie geschnurrt wie eine hungrige Hauskatze, die nach Essen und Streicheleinheiten bettelte. Er machte sich eine weitere mentale Notiz, er sollte mal googeln, wann das süße Susi-Kätzlein wieder einen Vortrag über Rollenverteilung hielt. Ein wenig Fortbildung konnte ja nie schaden.
Nein, wenn er wollte, dass die anderen Männer morgen freiwillig das Feld räumten, dann musste er hier seine Stellung beziehen, wie der Kaiser am Berg. Er gab sich betont großzügig: »Fangt ruhig schon mal an«, gerade so, als wäre er der Gastgeber. Selbst wenn vorerst keiner wirklich darauf einging, wusste er, dass sie bereits dabei waren, seine Rolle als Alphatier unterbewusst zu akzeptieren. Heiko klopfte sich innerlich auf die Schulter.
»Is echt ein schnuckeliger Tisch.« Sandra fuhr mit der flachen Hand über das abgenutzte Eichenholz. »So einen wollte ich immer haben.«
Was?, dachte Heiko. War das etwa schon wieder seine, beinahe hätte er »dumme« gesagt, Freundin? Konnte sie bitte einmal die Klappe halten? Immerhin war er dabei, hier eine gewisse Autorität aufzubauen. Für sie beide. Außerdem war dieser Haufen Brennholz maximal gut genug, darauf ein paar Schnitzel flach zu klopfen.
Aber »schnuckelig«? Wollte Sandra sie beide unbedingt lächerlich machen? Schnuckelig waren die feuerroten Strapse, die er als Überraschungsgeschenk für sie dabeihatte. Aber doch nicht diese bakterienverseuchte Werkbank.
»Ja, der is was Besonderes. Der hat eine Geschichte, eine Patina«, stimmte Carlo Sandra zu und mauserte sich damit zu Heikos persönlichem Intimfeind.
»Eigentlich unbezahlbar«, fuhr Carlo fort, »dreihundert Jahre alt, mindestens.«
»Wow! Echt?«
Sandra war so verdammt leicht zu beeindrucken. Das wurmte Heiko.
»Was meinst, wie viele nette Leute hier schon einen schönen Abend verbracht haben?« Carlo gab nun auch Heiko seinen Teller, lächelte ihn an und setzte sich hin.
Jetzt war das Maß voll! Vor den Augen aller seine Freundin anzumachen, mit billigem Geschwätz über die Geschichte eines alten Küchentisches, das war echt die Höhe! Aber Heiko hatte schon einen Plan für einen vernichtenden Gegenschlag. Die Zielkoordinaten für seinen Marschflugkörper waren bereits eingegeben: kühle, grüne Augen, schmale Lippen, hohe Wangenknochen, die jedem ukrainischen Supermodel locker die Schau stahlen, und ein strenger, straffer Körper, der sich ihm sehr bald lüstern entgegenstrecken würde, und zwar in hemmungsloser Ergebenheit: Anna.
Plötzlich war Heiko wieder in Hochlaune. »Kreuzbergchen, haste bitte noch was von dem edlen Tropfen für den Hausherrn?«
»Danke, ich hab noch«, sagte Carlo scherzend.
Feuer frei, dachte Heiko. Er lächelte. »Vielleicht sollten wir uns die Villa einfach teilen, für ein paar Tage?«
Kurz war es still.
Hatte Anna da eben richtig gehört? Hatte ausgerechnet der rechthaberische Mr. Minderwertigkeitskomplex vorgeschlagen, hier gemeinsam Urlaub zu machen?
»Platz ist ja anscheinend genug«, fügte Heiko beiläufig hinzu.
Lutz zuckte resigniert mit den Schultern. »Wir bleiben sowieso hier.«
Anna wollte das nicht wahrhaben. »Das ist nicht euer Ernst!«
»Supi, wie früher, Schulausflug!«, jubelte Sandra.
Manchmal schämte Heiko sich für seine Freundin.
»Also, ich weiß ja nicht, wo ihr im Osten früher eure Ausflüge hin gemacht habt«, holte Anna aus, »aber wir waren bestimmt nicht in einer italienischen Villa. Wo erwachsene Menschen ihre Ruhe brauchen.«
»Na ja, ich glaub, uns bleibt erst mal gar nichts anderes übrig«, mischte sich Elli ein. »Wenn keiner nachgibt und sowieso alles ausgebucht ist?«
»Ich hätte locker ein schönes Zimmer für uns gefunden.« Das musste Heiko klarstellen.
»Wenn dein kleiner Bruder weiter so gut für uns kocht?«, schmatzte Tina. Das
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