Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)
beibringen sollte. Die Entscheidung war längst gefallen. Da war Elli sich sicher.
Es hatte Anna wahnsinnig gutgetan, mit ihr darüber reden zu können. Carlos Schwester war fast zu ihrer engsten Freundin geworden.
Während Elli vier Zigaretten hintereinander weggeraucht hatte, konnte Anna am Ende des Gesprächs endlich wieder freier atmen. Ihr schlechtes Gewissen dem ahnungslosen Carlo gegenüber hatte ihr bisher den Hals zugeschnürt.
Elli lag im Bett, allein. Wie gern hätte sie jetzt einen warmen Körper neben sich gehabt, der sie mit müden, schweren Armen umfasste. Aber damit war es wohl für eine ganze Weile vorbei. Single.
Sie fror, obwohl die leichte Bettdecke vom Tag noch aufgeheizt war, ganz zu schweigen von den cremefarbenen Steinwänden. Man konnte beinahe sehen, wie sie die Wärme des Tages jetzt an das Zimmer zurückgaben, mit leise schwingenden Wellen.
Wie auf Kommando knackte einer der schwarzen Deckenbalken.
Warum fehlte ihr Martin so sehr? Warum konnte sie diesen Mistkerl nicht aus ihren Gedanken verbannen? Immerhin war sie extra Hunderte von Kilometern gefahren. Nicht mal der verdammte Alpenkamm konnte sie vor ihm schützen.
Sie musste wieder zu sich finden, das Leben ohne Martin entdecken.
Elli war froh, dass sie nicht allein in dem Haus war, heilfroh.
4. Kapitel
Auch wenn es nur ein beschauliches, verschlafenes Nest war, so herrschte dennoch eine rege Betriebsamkeit. Aus engen Gassen, müden Haustüren, mit klappernden Rädern und mit schlurfenden Schuhen, von überall her mäanderte das frühmorgendliche Leben auf die kleine Piazza mit der unbedeutenden Kirche und den wenigen Parkplätzen für verbeulte Kleinwagen zu. Eingefasst wurde das Herz dieses etwas unbeholfenen Ortes, der ohne viel Aufhebens eine herrliche Leichtigkeit zelebrierte, von drei typisch italienischen Cafés, in dem die polierten Kaffeemaschinen auf Hochtouren liefen. Es dampfte, ratterte und zischte. Tassen klapperten, Espressosatz wurde laut ausgeklopft, Zuckertütchen wurden durchgeschüttelt. Darüber flirrte der italienische Singsang der Frühaufsteher.
Carlo saß vor dem kleinsten der drei Cafés und löffelte glückselig den restlichen Milchschaum seines zweiten Cappuccinos. Auf dem Porzellantellerchen daneben fanden sich die letzten Krümel eines mit Vanillecreme gefüllten Hörnchens.
Hier war der Tourismus fast spurlos an allem vorübergegangen. Hier konnte er eintauchen und sich wie ein echter Italiener fühlen.
»Buon giorno«, sagte er zu sich.
Als Letzter war er ins Bett gegangen und als Erster, lange vor den anderen, schon wieder aufgestanden. Gerade als er hatte losfahren wollen, hatte er Elli gesehen und kurzerhand mit eingepackt. Sie war jetzt in einem Lädchen um die Ecke verschwunden, um für sie alle etwas für ein großes Frühstück zu besorgen.
Derweil genoss Carlo die Szenerie. Er konnte sich gar nicht sattsehen an den hellen Steinen, die im Sonnenlicht strahlten, den vereinzelten Bäumen und Topfpflanzen, die vom langen, trockenen Sommer fast in die Knie gezwungen worden waren, und dem unverschämt blauen Himmel, der einen weiteren Festtag prophezeite.
Überall in den Cafés lehnten Männer lässig am Tresen und lamentierten über einen beginnenden Tag, der für die meisten ständig frierenden Mitteleuropäer die Erfüllung all ihrer Sehnsüchte war, für sie hier aber eben nur ein Tag wie jeder andere. Die Italiener suchten eher den Schatten, während er die pralle Sonne mit jeder Pore in sich aufsog. Carlo konnte Sonnenlicht atmen.
Die Männer schimpften über ihre verrückten Frauen und die lästige Arbeit. Außerdem hatte der Titelanwärter der Serie A gestern ein miserables Spiel hingelegt. Die Mafia hatte den Schiedsrichter gekauft, das stand fest. Es war also alles in bester Ordnung.
In diesem Moment bog Elli mit zwei vollbepackten Tüten um die Ecke. Ihre offene Strickjacke schwang ihren gutgelaunten Schritten fröhlich hinterher.
Es freute ihn, dass sie mitgekommen war.
»Hab schon lange nicht mehr für so viele Leute Frühstück eingekauft. Noch dazu für so viel Fremde. Ich komme mir vor, als hätt ich eine kleine Pension.« Wenn sie mit ihrem Bruder sprach, dann hörte man manchmal eine leichte Münchner Färbung durch, so wie man es selbst in Münchens besseren Kreisen schätzte.
Einen Cappuccino sollten sie sich noch gönnen, schlug Carlo vor. »Bevor wir wieder in unsere WG zurück müssen.« Seine Stirn legte sich in Falten. Er wusste nicht, wie die Sache jetzt
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