Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)
Wissenslücke. Wie auch immer, die wisse bestimmt gar nicht, wohin mit ihren vielen Handtaschen.
Handtaschen? Lutz konnte nicht fassen, wie schnell man bei diesem banalen Thema gelandet war. Es schien zwecklos. Warum sollte er sich auch den Mund fusselig reden? Er hatte sein Werk, da konnte man bald alles nachlesen. Schwerfällig erhob er sich. Erst jetzt merkte er, dass er ganz schön einen sitzen hatte.
»Ich geh ins Bett.« Wie ein alter Mann nach einer Aerobic-Stunde schleppte er sich aus der Küche.
Für Tina hingegen war es noch viel zu früh, sie wurde gerade erst munter.
»Geh mal vor, Professorchen. Ick komm gleich nach«, sagte sie pro forma und schenkte sich ein weiteres Glas ein. Mit Lutz war heute sowieso nicht mehr viel anzufangen. Selbst wenn sie Lust gehabt hätte, Lutz’ goldene Jahre als Liebhaber waren längst vorbei. Man konnte nur noch auf seinen zweiten Frühling hoffen oder darauf, dass ihm bitte jemand heimlich Viagra ins Mundspülwasser gab. Aber selbst dann hätte es bei ihm maximal nur noch zu einem Quickie gereicht. An einen Orgasmus-Marathon, daran war schon lange nicht mehr zu denken.
So, und jetzt hatte sie doch Lust. Plötzlich wurde ihr warm zwischen den Schenkeln. Super. Und nu? Es sich selber machen, neben einem schnarchenden Lutz? Das hatte so was Erbärmliches. Wenn sie in Berlin wären, dann hätte Pierre womöglich noch mal vorsprechen dürfen. Oder der lässige Typ, der letzte Woche bei ihr Räucherstäbchen gekauft hatte und sie dann abends überraschend zum Chinesen einlud. Das Lokal hatte dann zwar zu, aber sie hatten trotzdem noch Glückskekse aus dem Bauchnabel des anderen genascht. Lutz dagegen hatte wieder mal die ganze Nacht am Computer verbracht und gar nicht mitbekommen, dass sie so lange weg gewesen war. So wie er auch jetzt schlapp ins Bett ging, in ihrer ersten Urlaubsnacht! Na, was für ein Romantiker! Er war wirklich selbst schuld, wenn sie es sich hin und wieder woanders holte.
»Ich bin Krankenschwester«, hörte sie Sandra sagen.
»Krankenschwester?« Das überraschte Tina. »Is das nich irgendwie ganz schön sozial?«
»Hast du gedacht, ich bin Friseuse?«
»Also Schatz! Du bist manchmal echt witzig. Wieso sollte das denn einer denken?«, fragte Heiko.
»Doch. Ja so was. Irgendwie schon. Sorry!«, stellte Tina klar.
Jetzt wurde es Heiko zu bunt. »Nur weil Sandra fünfmal so lange Haare hat wie du?«
»Stehst wohl nich auf kurze Haare, was?«, forderte Tina ihn heraus.
Es gäbe nur zwei Gruppen von Frauen, die kurze Haare hatten, frustrierte Hausfrauen und Lesben, machte ihr Heiko klar. Sie könne sich aussuchen, wo sie dazugehöre.
»Ehrlich gesagt«, versuchte Carlo die Sache wieder zu entschärfen, »ich find beides gut.«
»Am besten lesbische Hausfrauen, was?«, stichelte Heiko.
»Witzbold! Nein, lange wie kurze Haare. Ich denk, Sandra, du wärst mit kurzen Haaren bestimmt genauso hübsch!«
»Spinnst du?« Heiko war entsetzt. Er solle Sandra bloß nicht auf dumme Gedanken bringen.
In diesem Moment stand Anna, ohne etwas zu sagen, wieder in der Küche. Sie machte zwar immer noch ein ernstes Gesicht, war aber trotzdem weniger angespannt. Ja, sie schien irgendwie erleichtert. Die frische Luft hatte ihr wohl gutgetan, dachte sich Carlo. Hatte sie seinen letzten Satz etwa gehört? »Du bist natürlich die Schönste von allen, Spatzl. Selbst ohne Haare.«
Die hohe Kunst der Galanterie war das auch nicht gerade.
»Ich bin müde, Carlo. Ich geh schlafen.«
Mit geschlossenen Augen streichelte sie ihm über sein leicht gewelltes, haselnussbraunes Haar und gab ihm einen kleinen Kuss auf die Stirn. Carlo genoss es außerordentlich.
Schon fast so, als wollte er ihr ins Schlafzimmer folgen, stand Heiko auf. Für ihn sei es auch Zeit, ins Bett zu gehen. Er nahm Sandras Hand und zerrte sie, ohne groß zu fragen, mit.
»Komm, Mausilein, der Abend ist noch jung«, sagte er laut.
Man konnte meinen, er wollte allen zeigen, dass hier noch eine heiße Liebesnacht auf dem Programm stand. Er klopfte seiner Freundin auf den strammen Po, der sich durch den dünnen Stoff des Sommerkleids noch phantastischer anfühlte, und blickte dann erst Carlo und danach Anna vielsagend in die Augen. Die nervige kurzhaarige Tina ignorierte er.
So kam es, dass nur wenige Augenblicke später Carlo und Tina allein in der Küche saßen.
»Plötzlich sind alle müde«, stellte er fest.
»Und? Was machen wir zwei Hübschen jetzt?« Wenn er nur etwas schlanker wäre, dachte
Weitere Kostenlose Bücher