Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)
kalte Flaschen Weißwein aus dem Kühlschrank und verschwand damit auf die Terrasse.
Auch darauf reagierte Lutz nicht, vielmehr wandte er sich an Carlo.
»Ramazzotti?«
»In der Kammer.«
»Kompliment. Die Antipasti. Hat irre gut geschmeckt. Brauchst du Hilfe?« Lutz war fündig geworden und füllte zwei Glas randvoll.
»Meinst du, weil mein anderer Küchenjunge grade im Nirwana schwebt?«
»Keine Ahnung, wo der schwebt. Nirwana? Das bezweifle ich.«
Lutz möge die Teller in den Ofen stellen, bat Carlo.
Eros Ramazzotti legte einen neuen Song nach, und Sandra schwebte herein. Auch sie lobte Carlo, jetzt schon zum zehnten Mal. Carlo gab nur ihr eine Löffelspitze einer der Soßen zu probieren, die er auf seinem magischen Herd ständig weiter verfeinerte. Sandra riss ihre leuchtenden Augen auf und bettelte sofort um mehr, aber Carlo ließ sich nicht erweichen. Bis zum Hauptgang müsse er sie noch »a bisserl« auf die Folter spannen.
»Aber kein zu großes bisserl!«, forderte Sandra, die, im Gegensatz zu ihrem enthemmten Freund, Carlos bayerischen Akzent süß fand. So wie sie vieles an ihm süß fand. Was manchmal gar nichts und manchmal so einiges heißen konnte. Sie gab dem Süßen einen Stupser in den Bauch und entschwand schon wieder wie eine kleine Fee ins Wohnzimmer zum trällernden Eros.
Was seine Motivation, Carlo unter die Arme zu greifen, anging, hatte Lutz seine Schmerzgrenze schon längst wieder überschritten. Ohne daraus gleich eine Schlagzeile zu machen, wollte Lutz sich heimlich und leise wieder aus der Affäre ziehen.
»Bist schon erschöpft?«, fragte Carlo.
Lutz fühlte sich unangenehm ertappt. Küchenarbeit sei irgendwie nicht sein Ding. Das müsse Carlo ihm bitte verzeihen. Er sei mehr ein geistiger Arbeiter.
»Aha! Geistig? So, so. Ich bin eben mehr so der Handwerker.«
»So hab ich das natürlich nicht gemeint.«
»Ich tät sagen, du bist einfach faul, oder?«
»Also, ich bitte dich. Alles andere als das. Ich bin ruhelos. Das kann ein Fluch sein. Faul? Ach, das wäre ich gerne.«
»Dann eben ruhelos faul.« Carlo amüsierte sich, ohne sein Essen auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen. Was er denn so ruhelos arbeite, hakte Carlo nach.
»Ich finalisiere momentan meine Magisterarbeit.«
»Also studieren. Klingt sehr anstrengend.«
Eros legte eine wohlverdiente Pause ein und machte den Platz frei für neue Musik. Von ihrem misslungenen Start abgesehen, mauserte sich Tina allmählich, denn nun machte sich der große Paolo Conte am Klavier zum Clown und sang herrlich abgedreht »Come di«, was sich anhörte wie »Comedy«. Das war genau nach dem Gusto des Chefkochs.
»Und was is das Thema von deiner Arbeit? Die Ausbeutung der Weltverschwörer? Oder Heikos Ausweg aus dem Hamsterrad?«
Carlo konnte nicht wissen, wie sehr er ins Schwarze getroffen hatte. Lutz ärgerte sich, denn er hatte am Nachmittag viel zu viel geredet. Aber was sollte Carlo schon anrichten? Außerdem war Lutz mit seiner Enthüllungsgeschichte so gut wie fertig. Lediglich ein paar Fakten und, na ja, die Sprache verlangte noch nach ein wenig Feinschliff.
In der Küche war es viel zu heiß für Lutz. Unerträglich. Tinas Joint hatte selbst ihn nicht ganz unbeeindruckt gelassen. Er war ja einiges gewohnt, aber bei diesem Kraut war Respekt angebracht, sonst konnte es einen leicht in die Knie zwingen. Kurz malte er sich aus, was wohl in Heikos jungfräulichem Kopf abgehen mochte. Das war bestimmt eine lustige Achterbahnfahrt, denn Heiko war unter Garantie ein Greenhorn. Lutz sehnte sich nach einem großen Schwall frischer Luft, aber er wollte Carlo nicht das letzte Wort lassen. »Wenn du’s genau wissen willst. Gewisse, verdunkelte Machtverhältnisse streife ich thematisch, ja.«
»Hast du das heute Nachmittag alles ernst gemeint, oder wolltest nur den Heiko ein bisserl ärgern?«
Sicher hatte Lutz es ernst gemeint. Todernst. Warum sollte er bitte Heiko ärgern? Der ärgerte sich doch selbst ausreichend. Schweiß perlte auf Lutzens Stirn. Jetzt sah Carlo, dass der Kerl ganz schön ins Schwitzen kam. Unter seinen Achseln drohten sich zwei große, feuchte Flecken durch das schwarze, ausgewaschene Hemd zu fressen.
»Die bösen reichen Leut, ja?« Carlo nahm keine Rücksicht auf den Berliner.
»Das ist äußerst vereinfacht«, korrigierte Lutz, »trifft es allerdings doch sehr auf den Punkt. Eine relativ kleine, unfassbar reiche Gruppe von Menschen ist von einer derart diabolischen Gier getrieben …« Lutz
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