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Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)

Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)

Titel: Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Friedmann
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einem Drahtseil, durch einen wirren Klang- und Lichttunnel. Dann jedoch siegte die Schwerkraft, er stolperte direkt vor Annas Füßen, und der Teller zerbrach in tausend Einzelteile. Anna war nicht einmal erschrocken, dafür war der kleine Unfall einfach zu vorhersehbar gewesen.
    Heiko zuckte kurz, dann kicherte er vor sich hin, wie ein Teenager bei seinem ersten Rausch. Er gluckste: »Uuuups!«, und entschwebte in eine andere Welt. Er fand sich mit einem Mal in New York wieder, in einem Hotelzimmer mit zwei Frauen, beide jung. Die eine war dick und hübsch und die andere dünn und dafür weniger ansehnlich. Wahnsinn, selbst seine Träume waren schwarzweiß! Aber das war kein Traum, sondern eine Erinnerung an seinen ersten und einzigen Kurztrip zum Big Apple. Ein Tombola-Gewinn. Damals gab’s noch keine Sandra.
    Heiko sagte so etwas Ähnliches wie »Biihk Ebbel« und sah kurz, sogar in Farbe, Anna vor sich stehen, aber was meckerte sie? Spesen? Scherben? Meine Güte, sprach die undeutlich! Die lallte ja. Hatte wohl zu viel erwischt. »Inga eg om Alokol!«, riet er ihr. Ein fürsorglicher Tipp, die Finger von der Flasche zu lassen.
    Plötzlich sah er wieder alles scharf, aber längst nicht in Farbe. Und da war auch wieder Annas Stimme. »Heiko! Erde an Heiko! Wie lang willst du da noch stehen bleiben? Oder dürfte ich mal vorbei?«
    Für einen kurzen Moment kam Heiko wieder zu sich. Er realisierte, dass er schwitzte. Ihm war heiß, heiß wie in einer Sauna. Er musste sich hinsetzen und Wasser trinken. Dieses Zeug! Nie wieder werd ich einen Joint rauchen, schwor er sich und nahm auf seinem angestammten Stuhl Platz.
    Eine Pfanne mit schwitzendem Knoblauch in der linken und eine Schale mit gewürfelten Karotten in der rechten Hand schenkte Carlo seinem etwas ungeschickten, ehemaligen Kochgehilfen keine Aufmerksamkeit. Er war hochkonzentriert, das sah man ihm an.
    Aus dem Esszimmer schallte nun laute Musik. Tina hatte ganz offensichtlich die Anlage gefunden und sich unter den Nagel gerissen. Irgendein Guru beschwor in einer faszinierenden Mischung aus Englisch und Indisch, Hindu und Kauderwelsch eine banalen Lebensweisheit, die ein hochnervöser DJ mit Beats im wohligen Rhythmus eines Presslufthammers unterlegt hatte. Peace and Harmony. And Harmony and Peace. Bumm, Bumm, Lärm!
    »Will die uns foltern?«, fragte Heiko.
    Carlo war gestresst. »Bitte, bitte macht die Musik leiser, sonst brennt mir hier alles an!«, schimpfte er unüberhörbar durch das ganze Haus.
    Anscheinend hatte diese Drohung Gewicht, denn Tina und der Guru erbarmten sich, und kurz darauf erklang ein Klassiker von Eros Ramazzotti.
    Das gefiel Carlo schon viel besser. Und nicht nur ihm. Die komplette Küche wollte sich mit einem Mal in ein schnulziges Ramazzotti-Video verwandeln. Dampfende Töpfe, Pasta, Wein und die Stimme von Eros. Während Carlo nur locker mit den Hüften wackelte und sogar Anna einen sehnsüchtigen Blick bekam, schwang sich Heiko, dessen Optik sich allmählich wieder komplett zurückmeldete, dazu auf, mit Kochlöffeln als Drumsticks bewaffnet, Eros und seiner Band ein wenig Unterstützung zu leisten. Was für ein Ereignis. Noch nie hatte Ramazotti so einen begeisterten Trommler in der Band. Anfangs bewies Heiko sogar etwas Talent und Taktgefühl, sehr schnell aber hob er, berauscht von den ersten Erfolgen und weiterhin von Tinas Joint, ab und gab eine Performance, die das Tier der Muppetshow, die ausgeflippte Schlagzeugpuppe, vor Neid hätte grün werden lassen. Aus dem schnulzigen Ramazzotti-Video drohte ein schnulziges Metallica-Video zu werden, so dass Carlo kurz alle Töpfe sich selbst überließ und dem neuen Stern am Schlagzeugerhimmel die Kochlöffel entriss. Heiko, gerade mitten im Solo, plumpste jäh zu Boden.
    »Aus is, Heiko Ramazzotti!«, sagte Carlo.
    Große Kunst hatte es noch nie einfach gehabt, diese harte Wahrheit musste an diesem Abend auch Heiko lernen. Mit seinen Fingern weiter schnippend, verabschiedete er sich flugs ins Esszimmer. Er wurde von Lutz abgelöst, der als Nächster den Weg in die Küche fand.
    »Der hat wohl ein bisschen zu viel erwischt?« Dabei deutete er in Heikos Richtung. »Haben wir eigentlich Ramazzotti im Haus?«
    »Was raucht’s ihr da für einen Mist?«, brummte Carlo.
    Doch Lutz ging gar nicht auf die Frage ein. »So ist er eigentlich viel netter. Nicht so verkrampft.«
    »Weißt du, Lutz, ist eben nicht jeder so irre ›locker‹ wie du.« Anna war hinter ihm aufgetaucht. Sie nahm zwei

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