Flaschendrehen: Roman (German Edition)
Satz mit den Worten wiedergegeben: »Binde dich an nichts, was du nicht innerhalb von dreißig Sekunden loswerden kannst!« Verkürzt und verhunzt nach meiner Meinung.
Ein Satz aus Heat , und zwar von Robert de Niro. Typisch Männer! Warum fanden die alles, was De Niro machte, so toll? Würde mich nicht wundern, wenn Clemens auch eine dieser mäßigen Paten-Imitationen auf Lager hatte.
Noch einmal las ich das Filmzitat an der Wand. Was sagten uns diese Zeilen? Dass man Single bleiben sollte? Frei und ungebunden?
Warum hängte sich ein erwachsener Mann diesen Spruch an die Wand? Weil er nicht über das emotionale Stadium der Pubertät hinweggekommen war? Oder dienten die Zeilen als Abschreckung für alle Frauen, die ihn festnageln wollten?
Clemens Vogelmann musste Single sein, hoffte ich plötzlich und vergaß für einen kurzen Moment, dass es sich um meinen neuen Chef handelte, wenn auch um einen unverschämt gut aussehenden Chef.
An einer Pinnwand hingen Fotos, die ihn bei verschiedenen Filmpremieren und Konzerten zeigten, auf dem Schreibtisch stapelten sich Bücher, CD s und DVD s. Für Notizen benutzte er ein Moleskine-Notizbuch und einen Montblanc-Füller. Ansonsten gab es nicht viel zu entdecken. Gut, er hatte auch erst vor kurzem hier angefangen.
»Wo waren wir stehen geblieben?«, fragte er unvermittelt. Clemens stand hinter mir und verursachte eine Gänsehaut in meinem Nacken. Sollte ich mich umdrehen, oder wollte er in Ruhe meine Schuppen bewundern? Vielleicht hatte er auch Angst, ich könnte plötzlich umkippen, und wollte mich auffangen. Eigentlich sehr fürsorglich.
»Wann ich das letzte Mal im Kino geweint habe …«
»Stimmt. Übrigens, mach dir keine Sorgen wegen deines Autos. Ich habe Marion gebeten, schnell runterzugehen und mit dem Abschleppdienst zu sprechen. Sie holt deinen Schlüssel und fährt es weg.«
Wie, was? Ach, das hatte er am Fenster beobachtet. Wie sich der Abschleppdienst an meinem Auto zu schaffen machte. Wie aufmerksam und fürsorglich, ein wahrer Gentleman.
»Äh, danke«, stammelte ich.
Endlich ging er zu seinem Schreibtisch und setzte sich mir gegenüber. Er sah nicht nur gut aus, sondern war zweifelsohne auch sehr interessant. Sein Blick war lebendig, hellwach, und die Art, wie er sprach und zuhörte, intensiv!
»Ich habe dich beobachtet. Ich mag es, wie du kurz entschlossen zweite Reihe geparkt hast, um rechtzeitig hier zu sein. Auch, wie du reingestürmt bist, zeigt mir, dass du mit dem Herzen dabei bist. Ich freue mich, dich im Team zu haben. Wir sehen uns gleich in der Konferenz.«
Damit war ich wohl entlassen. Langsam aufstehen, zügig zur Tür gehen und nur nicht einsacken!
Ich ging in mein Büro.
Michi sah mich erwartungsvoll an.
»Und wie war’s?«
»Interessant! Ich glaube, es wird Spaß machen, mit ihm zu arbeiten.«
Michi nickte heftig.
»Ja, nicht? Clemens ist toll!«
Sie war offensichtlich in ihn verknallt.
Michi war klein und zierlich, fast mager, hatte große blaue Kinderaugen, die sie beim Sprechen mehr als nötig aufriss, und zog die Schultern hoch, als ob sie sich vor jemandem verstecken oder ducken wollte.
»Allerdings verstehe ich nicht, was ein so toller Mann an Diane finden konnte!«
Ich sah sie fragend an.
»Na, angeblich hatten die beiden was miteinander. Clemens hat eine Einstandsparty gegeben, außer uns beiden haben ja alle schon vor ’nem Monat angefangen, und auf der Party hat Diane die Gunst der Stunde ergriffen und sich an den nicht mehr nüchternen Clemens rangemacht. Angeblich mit Erfolg, zumindest hat das Diane behauptet, aber Clemens war das Ganze wohl eher unangenehm, und er hat es sofort beendet. Aber Diane meint wohl immer noch, dass sie ihn irgendwann rumkriegt, und sieht jede weibliche Kollegin als Konkurrenz, vor allem die gutaussehenden. Du musst dich also nicht wundern, dass sie so unfreundlich zu dir war. Nimm es als Kompliment!«
Das fing ja heiter an! Wenigstens mochte ich Michi gut leiden. Sie hatte sofort meinen Beschützerinstinkt angesprochen, obwohl sie maximal zwei Jahre jünger war als ich.
Michi erklärte mir, dass sie für die Literatur zuständig sei, der Rittmeister Diane für Musik. Marion war Clemens’ Assistentin, und ansonsten wimmelte es von Volontärinnen, Praktikantinnen und freien Mitarbeiterinnen, die immer wieder reinschneiten, um Themen und Artikel durchzusprechen. Ein leichter Frauenüberschuss war zwar üblich in unserem Metier, aber bei Phosphor schien er mir extrem hoch, was vor
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