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Flaschendrehen: Roman (German Edition)

Flaschendrehen: Roman (German Edition)

Titel: Flaschendrehen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Greifeneder
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ob der Mann sich anstrengte und sich um sie bemühte, weil sie es als Zeichen seiner Aufrichtigkeit und ernsthaften Gefühle deutete. Tatsächlich war ein Casanova aber nur bis zu dem Punkt an ihr interessiert, an dem die Frau das Burgtor endgültig öffnete und sich geschlagen gab.
    »Wenn er sein Ziel bei einer Frau erreicht hat, hält er bereits nach der nächsten Ausschau«, erklärte die Psychologin.
    Bei den Ausführungen zur Leidenschaft eines Casanovas musste ich unwillkürlich seufzen.
    »Für diese Männer ist das Leben eine Bühne, auf der sie ihre Gefühle mit Pathos ausleben. Sie gehen aus sich heraus, lassen Frauen das Feuer, das in ihnen lodert, spüren und fühlen sich wohl, wenn sie alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen und große Auftritte haben«, las ich. Und weiter: »Alle sollen mitbekommen, wie der leidenschaftliche Casanova fühlt, und zwar so intensiv, dass es nie langweilig mit ihm werden wird und der graue Alltag keine Chance hat.« Genau das war das Problem: Nach diesem Gefühlsrausch, dem Heiß und Kalt der Emotionen, wird man süchtig. Wortwörtlich stand da: »Wenn man die ganze Zeit emotionale Ausnahmesituationen durchlebt, ist die Gefahr groß, den Wechsel aus Erregung, Furcht und Spannung mit Leidenschaft zu verwechseln.«
    War die Autorin auch eine Geliebte von Clemens?
    Als sie zum Punkt »sensibel« kam, rutschte mir beim Lesen ein »Das gibt’s doch nicht!« heraus, sie beschrieb einen Mann, der zweifelsohne Clemens sein musste.
    Die Psychologin und Paartherapeutin erläuterte, dass ein Casanova gern betont, wie einfühlsam er ist, und dass er jeder Frau in die Seele schauen kann.
    »Der Casanova ist mit einem ausgezeichneten Einfühlungsvermögen gesegnet. Er hört einer Frau lange aufmerksam zu, spürt sich in ihr Fühlen und Denken ein und nimmt sich in diesen Momenten ausnahmsweise komplett selbst zurück, bis er sie vollkommen durchleuchtet und verstanden hat. Dann zeigt er gern seine verletzliche Seite: Er öffnet sich und lässt die Frau an seinen Ängsten, traumatischen Erlebnissen oder Jugenderinnerungen teilhaben. Der Trick ist simpel, funktioniert aber immer. Er vermittelt der Frau damit, wie sehr er ihr vertraut, und gibt ihr das Gefühl, dass nur sie auserwählt ist, ihn zu verstehen. Sie glaubt ihn durch und durch zu kennen, wie sonst kein anderer Mensch. Umgekehrt erliegen die Frauen oft dem Irrtum, noch nie von einem Mann so verstanden worden zu sein, und sprechen gar von Seelenverwandtschaft, nur weil der Verführer verstanden hat, wie die jeweilige Angebetete tickt, und einzig und allein als Spiegel fungiert und nur ihre Träume und Wünsche eins zu eins zurückwirft.«
    In dem Artikel stand, dass Frauen dem Casanova unbewusst Worte in den Mund legten, die man gern von ihm hören wollte. Man schmiedete gemeinsame Zukunftspläne – und musste sich später vielleicht zu Recht von ihm sagen lassen: »Ich habe dir nie etwas versprochen!«
    Den Kavalier-Aspekt fand ich nicht so spannend. Gute Manieren und Höflichkeit waren immer in Mode. Aber der letzte Punkt klang sehr interessant.
    »Ein Casanova gibt sich immer wieder unnahbar. Das ist Teil des Spiels. Gerade noch ist er der Auserwählten so nah und innig zugetan, nur um sich im nächsten Augenblick abrupt zu entziehen, ohne Erklärung sich in Luft aufzulösen und eine aufgewühlte, leidende Angebetete zu hinterlassen, die nicht versteht, warum er sich entzieht, und nach Gründen oder einem Auslöser für sein Verhalten und oft auch noch die Schuld dafür bei sich sucht. Die Erklärung für dieses wechselnde Nähe-und-Distanz-Verhalten ist einfach. Ein Casanova fürchtet nichts mehr, als sich festzulegen, Verantwortung zu übernehmen oder gar eine Verpflichtung einzugehen! Er braucht seine Freiheit, alle Optionen zu haben, wie andere die Luft zum Atmen.«
    Der Artikel las sich wie eine Zusammenfassung meiner Beziehung zu Clemens. Allen Gefahren, die die Psychologin aufzählte, war ich aufgesessen. Plötzlich ergab so vieles einen Sinn, Clemens’ unwiderstehliche Ausstrahlung, warum er Feuer und Flamme war, sobald ich mich rar machte, sein nachlassendes Interesse, als ich ihm meine Liebe gestand. Das Thema »Casanova und seine Brüder« mussten wir einfach machen. Es war unsere Pflicht, die Frauenwelt zu warnen und aufzuklären.
    Bis zur Mittagspause hatte ich mehrere Entwürfe parat, und als Marion uns das Zeichen gab, dass Feline im Haus war, machte ich mir keine Sorgen mehr, ob sie das Thema mögen

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