Flaschendrehen: Roman (German Edition)
sein!
Plötzlich kam mir eine Idee, wie man ihm noch was »Gutes« tun könnte.
Viola, seine Stalkerin!
»Liebe Kolleginnen, ich weiß, was er noch weniger mögen wird! Wir sollten diese Viola anonym mit einigen sehr privaten Infos versorgen und ihr wichtige Termine verraten, an denen ihr Erscheinen unpassend ist. Ihre Adresse lässt sich leicht über seine Anwaltsschreiben herausfinden. Marion, wie praktisch, dass du Einsicht in seine Post und seinen Terminkalender hast. Schau doch mal, was du an wichtigen geschäftlichen wie privaten Terminen finden kannst!«
Wir verständigten uns darauf, dass Marion, die Zugang zu Clemens’ E-Mails hatte, recherchieren würde, während wir weiter an dem Sonderheft arbeiteten.
Zwar war ich weit entfernt davon, Normalität zu empfinden, meine Gefühle befanden sich nach wie vor im Ausnahmezustand, aber wenigstens half die Konzentration auf die Arbeit eine gewisse Zeit, an etwas anderes zu denken.
Nur einmal wurde ich unterbrochen, als mein Handy klingelte und ich erwartungsvoll draufsah, in der Hoffnung, es sei Clemens, der aufklären wollte, dass es sich um einen schlechten, ausgedehnten Aprilscherz handelte. Der Anrufer stellte sich aber nicht als Clemens, sondern Sarah heraus, die ununterbrochen versuchte, mich zu erreichen, und eine Nachricht an der anderen hinterließ. Auch dieses Mal ging ich nicht ran, sondern stellte das Telefon auf lautlos. Keine Ahnung, ob und wann ich mit Sarah wieder sprechen wollte, denn im Gegensatz zu Diane und Michi, die überhaupt nicht geahnt hatten, dass ich mit Clemens zusammen war, und keine engen Freundinnen, sondern lediglich Kolleginnen waren, hatte Sarah Bescheid gewusst und war trotz allem, was uns verband, auf Clemens eingegangen. Natürlich musste ich fairerweise ihm gegenüber genauso sauer sein, aber Sarah als meine langjährige Freundin sah ich mehr in der Pflicht.
Michi, die mir gegenübersaß und eine wahre Apotheke an Vitaminen, Baldrian, Johanniskraut und Kava-Kava-Tabletten auf ihrem Schreibtisch aufgebaut hatte, starrte ins Leere und tippte seit einiger Zeit keinen Buchstaben mehr.
»Michi, alles klar? Denkst du über deinen Artikel nach, oder bist du bei Clemens?«
Ertappt sah sie mich an und zuckte mit den Schultern.
Natürlich ging es um Clemens. Wie sie von ihm sprach und beschrieb, weshalb sie sich so unsterblich in ihn verliebt hatte, ließ mich aufhorchen, denn keine der Eigenschaften, die sie in ihm sah, waren mir je an ihm aufgefallen.
Michi beschrieb Clemens als fürsorglich, väterlich, er hatte Entscheidungen für sie getroffen, Dinge erledigt, ihr Geborgenheit und Sicherheit gegeben, ja sogar einen Steuerberater für sie besorgt. Darauf geachtet, dass sie sich gesund ernährte, und ihr Mut und Selbstvertrauen zugesprochen. Nicht ein einziges Mal war Clemens so bei mir gewesen. Was mich allerdings erstaunte, war, dass sie sich nur geküsst hatten und es nicht weiter gegangen war, zumindest bisher nicht. Es schien, dass bei Michi wirklich die Versorgerrolle im Vordergrund gestanden hatte und ihr Clemens sich mit meinem Clemens nicht im Geringsten deckte.
Das Einzige, was im Nachhinein Sinn ergab, waren die Stimmungsschwankungen in der Redaktion. Wir rekonstruierten, dass immer die gut drauf gewesen war, mit der Clemens sich gerade getroffen hatte, während die anderen dachten, er sei noch auf einer Geschäftsreise oder bei einem Abendtermin. Ansonsten aber machte nach wie vor nichts Sinn, zumindest konnte ich nicht nachvollziehen, wie Clemens Platz für andere Frauen in seinem Herzen oder Lenden gehabt hatte, obwohl zwischen uns alles so intensiv gewesen war.
So sehr schlecht es mir ging, so rührend kümmerten sich auf der anderen Seite meine Mutter und Rudi um mich. Einer brachte mich zur Arbeit, zu Hause wurde für mich gekocht. Wenn ich wollte, konnte ich reden, wenn ich meine Ruhe haben wollte, war das auch okay. In Zeiten wie diesen hörte ich sogar gern den New-Age-Formeln meiner Mutter zu, und wenn die Karten sagten, dass ich bald wieder glücklich sei, so hoffte ich es auch.
Mit unserem Sonderheft kamen wir gut voran, was vor allem daran lag, dass jede von uns die Nächte durcharbeitete, weil an Schlaf nicht wirklich zu denken war. Feline war überrascht und erfreut, wie groß unsere Fortschritte waren, so viel stand fest, das Sonderheft konnte gedruckt werden.
Nur noch zwei Tage, bis Clemens aus seinem Selbsterfahrungscamp wieder herabsteigen würde, um nicht sich, sondern uns kennen zu
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