Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flaschendrehen: Roman (German Edition)

Flaschendrehen: Roman (German Edition)

Titel: Flaschendrehen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Greifeneder
Vom Netzwerk:
würde brennend interessieren, ob sie auch noch an eine Zukunft mit Clemens glaubte, aber das war nicht das beste Thema, um den neuen Tag zu starten, zumal unser Ersatzthema, bis Feline eintraf, stehen musste. Wir hatten kurz diskutiert, ob wir Feline von Clemens erzählen sollten, entschieden uns aber dagegen, denn erstens wollten wir zuerst Clemens selbst stellen, wenn er wieder zurück war, und außerdem warf es kein gutes Licht auf uns alle, wer weiß, am Ende hing Feline selbst noch mit drin und war Clemens’ Magie auch erlegen. Seit gestern rechnete ich mit allem.
    Marion, die der Schutz der frisch Verliebten umgab, bemühte sich, dem absurden Drama Normalität zu verleihen. Sie lenkte gleich zum Beruflichen über und fragte nach unseren Themenvorschlägen. Diane und Michi war leider nichts eingefallen, wer konnte es ihnen auch verdenken? Zögerlich erzählte ich von meiner Idee.
    »Ich habe gestern ein Buch gelesen, es waren die Memoiren von Casanova samt einer Analyse seiner Persönlichkeit, und da kam mir die Idee! Mir fielen plötzlich die Parallelen zu Clemens auf, ich muss noch genauer nachdenken und recherchieren, aber auf alle Fälle sollten wir unser Heft Casanovas Brüder nennen und über Schwerenöter, Blender und Herzensbrecher in Film, Musik und Literatur schreiben. Den Reiz, den sie ausüben; die Fallen, die sie bauen; die Gefahren, einem solchen Mann zu verfallen – das ist unser Thema!« Das ist unser Thema, Schwestern, hätte ich beinahe gerufen, so überzeugt war ich von der Idee.
    Diane überlegte und stimmte dann zu.
    »Ja, das könnte klappen. Das Thema ist ein Dauerbrenner, aber so noch nicht aufbereitet worden!«
    Michi war sowieso alles recht, solange sie sich endlich wieder in Literatur verkriechen konnte und Ablenkung fand. Marion sah deutlich erleichtert aus und trieb uns an die Arbeit.
    Konzentriert bereitete jede einen groben Entwurf mit Vorschlägen vor. Je mehr ich mich mit dem Thema beschäftigte, umso mehr Parallelen von Casanova zu Clemens entdeckte ich. Dieses Feuer, die Leidenschaft, einen Moment zu kreieren, einen immensen Aufwand zu betreiben für die Auserwählte und immer im Moment zu leben und alles andere vergessen zu machen, die Intensität, die Leichtigkeit, das Einfühlen in die Gedanken und die Gefühle der Frau, bis man mit ihr verschmolz, und gleichzeitig die Unfähigkeit, sich mit einer zu begnügen oder sich an eine fest zu binden.
    Im Internet fand ich einen höchst interessanten Artikel zum Thema »Casanova«. Eine Psychologin legte die verschiedenen Eigenschaften und Vorgehensweisen eines Casanovas dar und erklärte gleichzeitig, wie sie funktionierten. »Casanovas sind romantisch, hartnäckig, leidenschaftlich, sensibel, Kavaliere und unnahbar«, fasste die Psychologin zusammen, deren Warnungen ich besser gelesen hätte, bevor ich Clemens zum ersten Mal getroffen hatte. Einzeln führte sie jeden Punkt aus, beginnend mit der Romantik.
    »Für seine Auserkorene setzt ein Casanova Himmel und Erde in Bewegung, Blumen, Kerzenmeere, Liebeserklärungen der ganz großen Art. Er will einen magischen Moment kreieren und bedient sich sämtlicher romantischer Hilfsmittel, um unvergessliche Erinnerungen zu schaffen. Je überwältigender die Geste, umso besser, denn damit will ein Casanova seine unendliche Fantasie zur Schau stellen. Dieses Vorgehen ist gleichzeitig ein Ablenkungsmanöver, um sich nicht in die Karten schauen zu lassen, sondern seine wahren Gefühle hinter diesen inszenierten Momenten zu verstecken.«
    Laut der abgeklärten Psychologin erlagen viele Frauen der Magie des Moments, da diese romantischen Augenblicke so lebendig, prickelnd und einzigartig waren. Dieses prickelnde Gefühl würde man schnell mit dem Gefühl, endlich dem »Richtigen« begegnet zu sein, verwechseln. Jede Frau würde einem Mann, der sich so ins Zeug legte, natürliche, aufrichtige Gefühle unterstellen und sich ganz auf ihn einlassen. Kannte sie mich, oder wieso hörte sich das alles so vertraut an?
    Der nächste Punkt zum Thema Hartnäckigkeit kam mir ebenso vertraut vor.
    Anscheinend war einem Casanova kein Hindernis zu groß, kein Nebenbuhler zu gefährlich, eine Abfuhr galt ihm niemals als endgültiges Nein. Im Gegenteil, all das reizte einen Casanova umso mehr. Die Jagd, mit allen Mitteln zu kämpfen, zu beobachten, wie eine Frau nach und nach ihre Hemmungen überwand, das faszinierte ihn. Das Problem war, dass eine Frau, die es einem Mann schwer machte, damit sehen wollte,

Weitere Kostenlose Bücher