Flaschendrehen: Roman (German Edition)
würde.
Kurz nach dem Mittagessen rief Feline uns zu sich. Marion hatte den Termin vereinbart und kam mit, um Protokoll zu führen.
Felines Assistentin bat uns, kurz zu warten.
Wenig später holte uns Feline in ihr Büro. Ich war jedes Mal fasziniert, dass dort nicht ein Fetzen Papier lag. Feline nannte das entsprechend »ein papierloses Büro« und organisierte alles über ihren Laptop. Das Büro war schlicht und modern gehalten, nur einige private Fotos von ihrem Mann und Kind standen auf dem Schreibtisch, aber ansonsten nichts Persönliches oder Überflüssiges, das störte. Der Raum war hell, und man konnte dadurch, dass nichts voll gestopft war, befreit atmen.
Feline sah wie immer blendend aus und dazu noch richtig erholt, ganz im Gegensatz zu uns. So sah keine Frau aus, die von Clemens sitzen gelassen wurde. Feline mit ihrem Mr. Big und ihrer Familie war dagegen wohl immun, selbst gegen Clemens’ Blick, wenn er einen diesen einen Tick länger als die anderen ansah.
»Ein schönes neues Jahr allerseits. Ihr Armen seid schon fleißig am Arbeiten, wie man euch ansieht. Wie geht es denn voran?« Feline hatte keinen Schimmer.
Ich fasste mir ein Herz und trug die schlechten Neuigkeiten, dass die Zeitgeist von den Themen unseres Sonderhefts erfahren hatte, vor. Zum Glück war Feline erst mal gar nicht so sehr daran interessiert, wie die Zeitgeist an die Informationen geraten war, wahrscheinlich traute sie Ilona Richter alles zu, sondern sie war eher besorgt, was jetzt aus dem Sonderheft werden würde. Da wir gut vorbereitet waren, erklärte ich ihr zügig unseren Plan B, der ihr auf Anhieb gefiel. Ich war mir nicht sicher, ob es nicht daran lag, dass sie froh war, dass wir überhaupt einen Plan B hatten, oder ob ihr das neue Thema wirklich zusagte.
»Dieser Hinterhalt war leider zu erwarten, und ich befürchte, das war erst der Anfang!«, murmelte Feline. Wir sahen sie überrascht an. Was meinte sie denn damit?
Sie bat uns, einen Moment länger zu bleiben, dann setzte sie erneut an.
»Ich bitte euch, diese Information vertraulich zu behandeln, aber Clemens und ich hatten kurz vor Weihnachten ein Gespräch, in dem er mir anvertraut hat, dass er mit Ilona Richter vor einiger Zeit verlobt war. Zu einer Heirat ist es nie gekommen, weil Clemens die Verlobung gelöst hat. Er ging danach ins Ausland, und als er wiederkam und den Posten hier angenommen hat, schwor Ilona Richter Rache. Daher zielten all ihre Angriffe und Abwerbungsversuche nicht wirklich auf mich, sondern einzig und allein darauf, Clemens zu schaden. Ich bin für sie nur eine gelungene Vorlage, denn Clemens direkt anzugehen wäre zu offensichtlich. Wenn man dahinterkommt, dass die verschmähte Exverlobte auf den neuen Chef der Phosphor losgeht, würde es ihrer Glaubwürdigkeit schaden. Damit sind wir die perfekten Ersatzgegner, um eigentlich Clemens zu treffen. Clemens ist sich sicher, dass Ilona nie mit ihren Attacken aufhören wird, solange er die Phosphor -Redaktion leitet. Er bot mir sogar an zu kündigen, was ich fair fand, aber natürlich abgelehnt habe. Diese Schlacht schlagen wir gemeinsam!«
Feline hatte sich wohl gedacht, dass wir überrascht, vielleicht auch geschockt sein würden, dass sie aber vier paralysierte Frauen vor sich sitzen sah, musste sie wundern. Aufmunternd lächelte sie uns an, stand auf, um zum nächsten Termin zu eilen, betonte aber noch mal, dass ihre Tür immer offen stehe und wir mit redaktionellen Fragen jederzeit zu ihr kommen könnten.
»Lasst uns morgen in der Redaktionssitzung schauen, wie weit wir mit dem Sonderheft vorangekommen sind – und danke, dass ihr so selbstständig ein neues Thema ausgearbeitet habt.«
Kaum waren wir draußen, rief Marion außer sich:
»Dieses Arschloch! Nicht nur, dass er euch an der Nase herumgeführt hat, nein, dem haben wir den Stress wegen Ilona Richter zu verdanken. Und er steht auch noch gut da, weil er märtyrermäßig angeboten hat, wegen Kettenhund Ilona Richter zu kündigen!«
Mir schossen ganz andere Gedanken durch den Kopf.
»Ich fasse es nicht, dass er mit Ilona Richter verlobt war! Hallo, verlobt? Das heißt, er hat sich ernsthaft überlegt, mit dieser Frau sein Leben zu verbringen und Kinder in die Welt zu setzen?« Ich schüttelte mich allein bei der Vorstellung angewidert, mal davon abgesehen, dass die beiden aus völlig verschiedenen Welten kamen.
Michi blickte sich in Clemens’ Büro um.
»Ist euch schon mal aufgefallen, dass hier rein gar nichts
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