Flaschendrehen: Roman (German Edition)
bitte, noch mal alles in Ruhe bis morgen zu überlegen?«
War es zu fassen? Wie konnte er so an seinem Job kleben, nachdem er mich sofort aufgefordert hatte, meinen zu kündigen für unser privates Glück?
Wie vor allem stellte er sich denn vor, mit uns weiterzuarbeiten, nach dem, was vorgefallen war.
Michi kochte vor Wut.
»Da gibt es nichts mehr zu überlegen! Sei froh, dass wir dir die Chance geben, von alleine zu gehen, nach allem, was du angerichtet hast.«
Clemens sah ein, dass es zwecklos war. Geschlagen und gar nicht mehr energetisch spritzig ließ er sich auf seinen Schreibtischstuhl fallen und stützte seinen Kopf in beide Hände.
Diane gab uns ein Zeichen zu gehen. Sie schloss die Tür wieder auf, und wir gingen befremdet in ihr Büro.
»Puh, das war vielleicht eine seltsame Situation! Anfangs hatte ich Angst, seiner Wirkung nicht widerstehen zu können, aber wie er anfing zu schwitzen und um seinen Job gebettelt hat, war es vorbei mit Clemens dem Traummann«, sprach Michi als Erste aus.
Ich nickte zustimmend.
Diane brachte es auf den Punkt.
»Keine Ahnung, wie der das macht, aber lasst uns hoffen, dass es keinen zweiten von dieser Sorte gibt – nirgendwo auf der Welt!«
Allerdings! Wobei, vielleicht würde ich einen zweiten nach dieser Erfahrung sofort erkennen. Für irgendetwas musste diese Erfahrung doch taugen.
Ich spürte, dass die Anspannung nachließ und ich mich erleichtert fühlte, dass es rum war.
»Sollen wir was trinken gehen?«, fragte Diane in die Runde.
»Nehmt’s mir nicht übel, aber ich würde gern für mich sein!«
So sehr ich Michi mochte und Diane inzwischen erträglich fand, so wollte ich diese Geschichte lieber für mich allein abschließen, und ich wusste auch schon, wie.
Ich fuhr nach Hause, legte Lovestory ein, heulte, was das Zeug hielt. Danach war es raus und ich bereit abzuschließen und Clemens hinter mir zu lassen.
»Warum genau soll ich mich warm einpacken? Wir gehen aber nicht Schlittschuh laufen, das kann ich überhaupt nicht!«
Am Telefon war Ben, der sich mit mir für den Abend verabredet hatte und mich noch mal daran erinnerte, auch warme Klamotten anzuziehen. Super Hinweis für Mitte Februar, wäre ich so nicht draufgekommen. Mir war schon klar, weshalb er mit mir ausging, bestimmt steckte Rudi dahinter, der sich Sorgen um die kleine Schwester und ihren neuen Lebenswandel machte, und jetzt sollte Ben mir mal ins Gewissen reden, nachdem es Rudi vergeblich versucht hatte. Rudi missfielen die vielen Verabredungen, die ich in letzter Zeit angenommen hatte, was sonst so gar nicht meine Art war. Bisher konnte ich in meinem Leben die Verabredungen immer noch an zwei Händen abzählen, die festen Freunde sogar an einer, doch seit Clemens’ Supergau war mir dieses »Ich warte auf den einzig Richtigen« ziemlich gleichgültig geworden, und ich ging fast jeden Abend mit einem Verehrer und potenziellen Freund aus. Warum auch nicht? Ich war erwachsen, die Lebensuhr tickte, und es war Zeit, sich von überzogenen Ansprüchen und kitschigen Filmillusionen zu verabschieden. Gretchen und nüchtern, das waren zwei Worte, die seit Clemens sehr wohl zusammenpassten, die Schwärmereien und das große Kino hatten sich gelegt, was man auch an meinen Rezensionen deutlich erkennen konnte. Momentan waren realistische Dokumentationen mein Favorit, allem, was mit Romantik oder großen Liebesdramen zu tun hatte, stand ich äußerst skeptisch gegenüber und legte Wert auf die Machbarkeit oder Glaubwürdigkeit der Geschichte. Das große »Hach, ist das schön und so romantisch«-Gefühl wollte sich einfach nicht mehr einstellen, wenn der Hauptdarsteller Himmel und Hölle in Bewegung setzte, um zur Angebeteten zu gelangen, und egal wie viele Haie, Gebirge oder Orkane sich ihm in den Weg stellten, mich berührte es nicht. Ich dachte immer nur »Und was passiert nach dem Happyend? Rennt er dann für die beste Freundin, mit der er eine Affäre begonnen hat, durch die Wüste?«.
Wenigstens war es leicht, Abstand zu Clemens zu bekommen, denn er hatte gekündigt und sich sofort freistellen lassen. Wir glaubten, dass er als Kündigungsgrund Ilona Richter angegeben hatte, um besser dazustehen. Einen neuen Job hatte er noch nicht, das wussten wir von Marion, die ihm einige Unterlagen für das Arbeitsamt besorgen musste.
Seltsamerweise waren Michis und Dianes Artikel ebenfalls dunkler, abgeklärter und leicht zynisch geworden, aber durchaus unterhaltsam. Feline hatte nichts gegen den
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