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Flaschendrehen: Roman (German Edition)

Flaschendrehen: Roman (German Edition)

Titel: Flaschendrehen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Greifeneder
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Stilwechsel einzuwenden, solange die Qualität stimmte, obwohl sie das ein oder andere Mal nachfragte, weshalb wir plötzlich so anders schreiben würden. Wir bezeichneten das als »die neue Abgebrühtheit« – ein Trend, der vor allem unter jungen Frauen stark im Kommen sei.
    Abgebrüht war ich dann doch nicht, ich dachte trotz meiner Fortschritte ab und zu an die Zeit mit Clemens und an das letzte Mal, als der tolle Superheld Clemens sich nach der Sylvesternacht von mir verabschiedet hatte. Sein letzter Satz war gewesen »Und was machen wir nie? Wir bereuen nie!«. Ein Credo, das ich leider noch nicht leben konnte, denn auch wenn ich mich wieder gefangen hatte, so waren doch genug Kratzer geblieben, bei uns allen. Rudi erzählte, dass Sarah zum Beispiel ihren Putzwahn von einem Tag auf den anderen aufgegeben hatte und ihre Wohnung oft verwüsteter aussah als meine.
    Die Energie, die sie in ihren Putzwahn gesteckt hatte, brauchte sie jetzt, um den normalen Alltag zu bewältigen. Noch hatte ich sie nicht wieder getroffen, aber der Hass und die Gleichgültigkeit ihr gegenüber legten sich langsam, was ich als gutes Zeichen deutete.
    Diane, die bisher immer die Eiskalte gespielt hatte, war plötzlich ein verunsichertes Häufchen und verließ öfter das Zimmer, weil sie in Tränen ausbrach. Es schien, als ob sich eine Schleuse geöffnet hatte, die jahrelang verschüttet war und sich jetzt nicht mehr schließen wollte.
    Michi war immer noch auf ihrem neuen »Ich lass mir von keinem mehr was sagen oder vormachen!«-Trip und sogar schon mit einer Polizeistreife in Konflikt geraten, weil sie es nicht einsah, einen Strafzettel zu bezahlen, nur weil sie kurz vor ihrem Haus in zweiter Reihe geparkt hatte, um einen schweren Wasserkasten bis zur Tür zu schleppen.
    Ich zog mich für meine Mitleidsverabredung mit Ben an und suchte vergeblich eine warme Strumpfhose. Wofür gab es gute Nachbarn, dachte ich mir und rannte halb bekleidet durchs Treppenhaus zu Leila, die laut auflachte, als sie mich sah.
    »Danke, ich hab schon einen Freund, und auf Exhibitionistinnen, die bei Minusgraden in der Unterhose und dickem Wollpulli kleine Kinder im Treppenhaus erschrecken wollen, steh ich nicht.«
    Sehr lustig!
    »Lässt du mich mal rein? Ich hol mir noch ’ne Blasenentzündung!« Ich hüpfte mit meinen Flipflops frierend von einem Bein aufs andere.
    Sie schob mich in die warme Wohnung direkt an ihren Kleiderschrank, was dem Besuch eines Weight-Watchers-Mitglieds bei McDonald’s gleichkam, das noch zehn Extrafettpunkte übrig hatte.
    Es war herrlich und gab in diesem Schrank einfach alles, abgesehen von einer wollenen Strumpfhose, die ich dringend gebraucht hätte.
    »Nimm die hier. Die halten total warm, und sexy sind sie auch noch!«
    Leila hielt mir ein paar seidene halterlose Strümpfe hin. Dazu packte sie mir ein süßes warmes schwarzes Unterhemd mit Spaghettiträgern aus Merinowolle ein, was angeblich genauso wärmte wie eine Heizdecke.
    »Wo gehst du denn hin?«, fragte sie neugierig.
    »Wenn ich das wüsste. Ben plant irgendeine Überraschung!«
    Leila, die meine neue Einstellung verstand und es löblich fand, dass ich viele Kandidaten in Betracht zog, sah mich überrascht an. Ich erklärte ihr, dass Ben bestimmt von Rudi gebeten worden sei, sich um mich zu kümmern. Leila runzelte die Stirn.
    »Du bist alt genug, um zu wissen, was du willst. Ben soll sich lieber mal um Liv kümmern, anstatt dir Ratschläge zu geben!«
    Da hatte sie Recht. Allerdings war sie selbst neuerdings ja so glücklich mit ihrem Jakob, dass sie nicht mehr wusste, wie das ist, wenn man versuchte, über Liebeskummer hinwegzukommen, und für jede Ablenkung dankbar war, die einen aus der Wohnung lotste, wo man sonst doch nur bei jedem Telefonklingeln vollkommen irrational hoffte, dass er anrief.
    Sie drückte mir einen Kuss auf die Wange und wünschte mir trotz der Kälte viel Spaß.
    Eingepackt mit Mütze, Schal und Handschuhen stand ich pünktlich um halb acht vor dem Haus, im selben Moment bog Ben auf seinem Motorrad um die Ecke!
    Er hielt an, nahm den Helm ab, begrüßte mich und streckte mir einen Zweithelm hin.
    »Äh, willst du mich umbringen? Bei diesen Temperaturen steig ich auf kein Motorrad, egal wie warm ich angezogen bin!«, feuerte ich los.
    Ungerührt zog Ben sich seinen Helm wieder an und grinste durch die offene Klappe.
    »Wir haben zwei Grad plus, also beweg deinen Hintern und steig auf!«
    Widerwillig stieg ich auf.
    »Aber es kommt auf die

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