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Flaschendrehen: Roman (German Edition)

Flaschendrehen: Roman (German Edition)

Titel: Flaschendrehen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Greifeneder
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imitierte.«
    Keine Ahnung, was das sollte, aber Ben erklärte, dass es eine Methode gab, Menschen zu manipulieren oder eine gemeinsame Ebene oder Verständnis zu erzeugen, indem man bestimmte Gesten oder Haltungen einfach nachahmte. Natürlich musste man wissen, welche es waren, denn es gab auch Drohgesten oder Abwehrhaltungen, die man aber auch über eine gezielte Körpersprache aufbrechen konnte.
    »Als ich ihn genauer beobachtete, merkte ich, dass er genau die Methode anwandte, die in dem Buch beschrieben wurde, also gab ich es dir mit.«
    »Und warum hast du so ein Buch, und wieso hast du mir nicht einfach von deiner Beobachtung erzählt?« Fragen über Fragen. Das Körpersprachebuch hatte Ben als Vorbereitung für ein Meeting mit einem seiner wichtigen Kunden gedient, für den er Reden schrieb und dem er immer auch gleich Tipps mitgab, was Haltung und Gesten anging. Seine Vermutung, was Clemens anging, hatte er sich gespart, weil er wusste, ich hätte ihm damals kein Wort geglaubt. Immerhin hatte er mich anfangs vor Clemens gewarnt und ich ihm peinlicherweise Eifersucht unterstellt. Netterweise erinnerte Ben mich daran nicht mehr.
    Es tat gut, mit ihm zu sprechen, nicht nur, weil er ein so kluger Kopf war und mich immer zum Nachdenken anregte, sondern weil er vor allem einen guten Humor hatte und wir ständig lachen mussten.
    Während des Desserts fiel mir wieder ein, dass dies hier eigentlich ein von Rudi angezetteltes Mitleidsdate war, was ich so auch ansprach.
    Ben fiel aus allen Wolken und sah mich entgeistert an.
    »Spinnst du? Rudi hat hiermit überhaupt nichts zu tun! Er weiß nicht einmal, dass wir heute Abend gemeinsam unterwegs sind, und wenn für mich zwei Wörter bestimmt nicht zusammenpassen, dann Mitleid und Gretchen. Ich mache mir Sorgen um dich, aber aus einem ganz anderen Grund, und der hat mit Rudi gar nichts zu tun.«
    Wie peinlich! Ich war überzeugt gewesen, dass Rudi dahinter-steckte, wie kam ich denn aus dieser Situation wieder raus, ohne die Stimmung zu verderben?
    »Tut mir Leid, irgendwie hatte ich den Eindruck. Aber wieso machst du dir Sorgen um mich? Hat man dir gesteckt, dass ich neuerdings gerne Verabredungen annehme?«
    Ben sah mich ernst an.
    »Ja, hat man, was mich aber nichts angeht, du bist schließlich alt genug. Ich sorge mich, weil ich das Gefühl habe, dass Clemens deinen Wesenskern zerstört hat, das, was dich ausmacht!«
    Der Wechsel zu einem solchen ernsten Gespräch, und ausgerechnet mit Ben über Clemens und mich, gefiel mir nicht. Der leichte Ton war weg, und mein Wesenskern angeblich auch.
    »Was ist denn bitte mein Wesenskern?«
    Ben wehrte ab.
    »Lass uns draußen weitersprechen, das ist kein Gespräch für hier.« Er ließ sich die Rechnung bringen.
    Vor der Tür gingen wir ein Stück spazieren, besser gesagt, ich ging einfach mit, denn es war dunkel, und ich hatte keine Ahnung, wo wir uns befanden.
    Ben schwieg einige Minuten, dann erklärte er, was er mit Wesenskern gemeint hatte.
    »Gretchen, ich kenne niemanden außer dir, der solch einen Glauben an die Liebe mitbringt und alles, was mit ihr zu tun hat, als das höchste der Gefühle ansieht. Du verkörperst Glaube, Liebe, Hoffnung, du lebst Romantik, du bist wahrhaftig mit deinen Gefühlen und bleibst lieber allein und suchst weiter nach dem einzig Richtigen, anstatt einen Kompromiss, eine zweite Wahl anzunehmen. Das macht dich aus, es ist kein arroganter Anspruch, den du hast, er muss weder reich, berühmt oder besonders schön sein, dein Anspruch ist einzig und allein der, dass dieser Richtige dein Herz berührt, und zwar so, dass dir der Atem stockt. So kenne ich dich, ohne Angst, dir Blessuren einzufangen oder verletzt zu werden. Große Liebe birgt große Risiken, und du bist bereit, das mit allen Konsequenzen zu leben.«
    Mir wurde ganz warm, selten hatte mir jemand so präzise gesagt, was er an mir mochte, erst recht nicht Ben, auch wenn mir noch nicht klar war, worauf er hinauswollte.
    Wir liefen immer weiter und kamen auf einen breiten beleuchteten Spazierweg, der geradewegs durch einen Park oder Wald führte.
    »Danke, das klingt doch sehr schön, worüber machst du dir dann Sorgen?«, fragte ich unbedarft.
    »Dass dir genau das abhanden gekommen ist, deine Schwärmerei, deine Begeisterung, dein Glaube an die große Liebe.«
    Ha, wenn das nicht Ironie des Schicksals war! Ausgerechnet Ben, der Denker, verstandesgeprägte Analytiker, der mir immer wieder erklärte, warum Liebe zum Scheitern verurteilt

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