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Flaschendrehen: Roman (German Edition)

Flaschendrehen: Roman (German Edition)

Titel: Flaschendrehen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Greifeneder
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sich beim Laufen eine Oberschenkelzerrung zugezogen hatte, worauf Sarah die Arztkarte zog, um das Bein fachmännisch abzutasten. Diane wäre nicht Diane, wenn sie nicht sofort gehandelt hätte.
    »Massagen helfen bei Zerrungen am besten!«, rief sie affektiert und fing an, seinen Oberschenkel mit ihren Rouge-Noir-lackierten, langen und bebrillten Krallen zu massieren.
    Hallo? Fiel eigentlich irgendjemandem außer mir auf, dass Clemens trotz magischer Wirkung in erster Linie unser Chef war? Clemens schien zu meiner Erleichterung dasselbe zu denken und wehrte lachend ab.
    »Danke, das war sehr angenehm, die Schmerzen sind praktisch verschwunden.«
    Mein Handy klingelte. Es war Rudi. Ich stand auf und ging in Richtung Toilette, wo man ungestört telefonieren konnte.
    »Gretchen, wo steckst du?«
    »In meiner Hölle und deiner Vorstellung vom Paradies!«
    Rudi verstand nicht, was ich damit sagen wollte – wie auch?
    »Ich ringe im Café Petersburg mit mindestens vier Nebenbuhlerinnen inklusive Sarah um die Aufmerksamkeit meines Chefs, dessen Oberschenkel gerade von Sarah und Diane massiert wurde.«
    Rudi pfiff anerkennend durch die Zähne.
    »Klingt gut, vielleicht komme ich auch noch schnell vorbei!«
    Vielleicht war das gar keine dumme Idee, schließlich war Rudis Wirkung auf Frauen legendär, und wer weiß, vielleicht konnte er wenigstens die ein oder andere Clemens abspenstig machen … Rudi war mein Joker, den ich bestimmt nicht sofort setzen würde, es kamen sicher noch schwierigere Situationen auf mich zu.
    »Nee, lass mal. Sag mir lieber, was ich machen soll?«
    Rudi musste nicht einmal eine Sekunde nachdenken.
    »Das ist wirklich nicht so schwer. Dass ihr Frauen das immer noch nicht raushabt! Du stehst jetzt auf und gehst.«
    Wie bitte? Lieber würde ich Peter Maffay die Zehennägel schneiden!
    »Spinnst du? Und einfach den anderen das Feld überlassen? Ich geb doch nicht auf!«
    Rudi lachte.
    »Schon mal von dem Spruch ›Willst du gelten, mach dich selten‹ gehört? Mann, wir Männer sind immer noch Jäger und Sammler, egal, ob wir gelernt haben, auch mal im Sitzen zu pinkeln und Blumen zu kaufen. Unser biologisches Erbgut hat sich nachweislich nicht mitentwickelt. Da könnt ihr noch so viel von Gleichberechtigung und ›Die Frau kann den ersten Schritt machen‹ labern. Wir wollen unsere Beute nicht auf dem Tablett serviert bekommen, also mach dich interessant, mach es ihm schwer und geh; du wirst sehen, das funktioniert.«
    Meine Mutter würde Zustände bekommen bei den Neandertaleransichten ihres Sohnes, dabei hatte sie ihr Leben der Aufklärung und Gleichberechtigung von Mann und Frau gewidmet. Tja, da hatte die ganze Kinderladenerziehung nicht wirklich gefruchtet.
    Aber vielleicht hatte Rudi ja Recht.
    »Pass auf, Gretchen. Stell dir einfach vor, du hast ein Paar sündhaft teure Prada-Stiefel gesehen, die du unbedingt haben willst. Du stehst vor dem Fenster, und weil der Verkäufer ’nen guten Tag hat, kommt er raus und schenkt sie dir. Einfach so! Natürlich kannst du dein Glück erst nicht fassen und freust dich wie blöde, aber wirst du sie richtig schätzen? Variante zwei. Du siehst die Schuhe, willst sie unbedingt haben, sparst Monate darauf, gehst jede Woche zweimal am Schaufenster vorbei und stellst dir vor, wie es sein wird, sie zu tragen. Schließlich hast du das Geld durch Entbehrungen und ’nen extra Job beisammen und kaufst dir die Schuhe. Was meinst du, was dir dasselbe Paar Schuhe im Vergleich zu dem geschenkten bedeuten wird?«
    Das leuchtete selbst mir ein. Ein guter Vergleich und so anschaulich!
    »Mal davon abgesehen, dass jeder Prada-Verkäufer sich lieber die Hände abhacken würde, bevor er ein Paar Stiefel verschenkt, hast du mich überzeugt. Ich möchte kein geschenktes Paar Stiefel sein! Ich gehe und werde dich als Grund vortäuschen. Wo steckst du?«
    »Im Watergate. Und Gretchen, vertraue deinem großen Bruder. Das ist die richtige Entscheidung.«
    Das würden wir ja gleich sehen! Widerstrebend ging ich zu Clemens und den Nebenbuhlerinnen zurück, denn mein Bauch sagte ganz klar: »Bleib hier bei Clemens.« Aber wenn ich eines begriffen hatte, dann, dass ich auf meinem ungünstigen Platz nichts bewegen konnte, und bevor ich mir die Brautschau von den billigen Rängen noch länger ansah, ging ich lieber.
    »So, ich pack’s mal. Ich treff mich noch mit meinem Bruder im Watergate. Danke für die Einladung, Clemens. Feiert schön weiter. Viel Spaß und bis Montag dann!«
    Ja!

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