Flaschendrehen: Roman (German Edition)
geheimnisvolles Schweigen? Erst mich verwirren mit dem leidenschaftlichsten Kuss aller Zeiten und sich dann nicht melden! Toll! Hätte wenigstens mal anrufen oder ’ne SMS schicken können.
Ich würde mich bestimmt nicht melden! Ich wollte schließlich ein Paar hart verdienter Prada-Stiefel sein!
Mit Tüten voller Kohl, Zwiebeln, Tomaten und Paprika bepackt, stieß ich im Treppenhaus fast mit Leila und Mimi zusammen. Leila hatte sich ausnahmsweise freigenommen und Mimi gerade vom Kinderturnen abgeholt.
»Magst du mit zu uns reinkommen? Mimi und ich haben gestern Abend gebacken.«
Ja, so konnte man auch seine Abende verbringen. Mit sinnvollen Beschäftigungen, anstatt seinen Chef zu küssen und der besten Freundin nichts davon zu sagen.
Dankend nahm ich das Angebot an und ließ beim Eintreten »Du willst nicht wissen, was ich gestern Abend gemacht habe« fallen, woraufhin Leila mich interessiert ansah.
Leilas Wohnung merkte man an, dass sie Designerin war und ein Gefühl für Farben, Kombinationen und Ideen hatte. Die Küche war mintgrün gestrichen, mit weißen Holzmöbeln versehen und wirkte schwedisch frisch. Auf dem Küchentisch stand eine Kugelvase mit rosa Ranunkeln, am Kühlschrank hingen Fotos von Mimi, wie sie beim Kochen und Backen half, und an der Wand waren Haken angebracht, an denen zwei Küchenschürzen hingen. Eine große für Leila und eine kleine für Mimi. Am Boden standen schöne helle Holzkisten für Milchflaschen und Äpfel, und auf der Fensterbank in hellblauen Emailleübertöpfen Basilikum, Pfefferminze und Rosmarin. Ich setzte mich an den Küchentisch auf einen der Holzstühle mit den verschiedenfarbigen Kissen und sah Leila zu, wie sie den Kaffee aufsetzte, während Mimi stolz den Käsekuchen präsentierte.
Mimi durfte im Wohnzimmer pädagogisch wertvoll und unbedenklich Nick schauen, und es dauerte nicht lange, da hörten wir Mimi zu Spongebob, dem spaßigen Schwammkopf, im Bild kichern.
»Das mach ich nur in Ausnahmefällen, ich will nicht, dass sie zu viel Fernsehen schaut, aber leg los, was hast du gestern Abend gemacht?«
Ich holte tief Luft.
»Leila, kannst du ein Geheimnis behalten?« Ich kannte Leila zwar noch nicht lange, aber erstens mochte ich sie sehr gern, und zweitens sagte mir mein Bauchgefühl, dass ich ihr vertrauen konnte. Normalerweise wäre es Sarah, mit der ich die frohe Botschaft teilen würde, was sich aber aus gegebenem Anlass leider verbot.
»Klar, ich halte dicht. Was ist denn passiert?«
Ich holte tief Luft.
»Ich hab dir doch von meinem Wahnsinns-Chef Clemens erzählt. Du wirst es nicht glauben, aber er hat mich gestern Abend geküsst!«
Leila kreischte aufgeregt.
»Nee! Ich glaub’s nicht! Aber ist das nicht so ’n Frauentyp, hinter dem alle her sind, einschließlich Sarah?«
Ich nickte, und mein schlechtes Gewissen meldete sich sofort wieder.
»Genau deshalb ist es ja ein Geheimnis. Ich hab nämlich keine Ahnung, was der Kuss zu bedeuten hatte. Er rannte mir einfach nach, als ich ins Taxi steigen wollte, küsste mich und ging wortlos wieder. Das heißt, nein, er sagte noch: ›Jetzt kannst du gehen.‹ Eigentlich müsste ich sofort mit Sarah sprechen, zumindest haben wir es so abgemacht, aber ich möchte erst von Clemens wissen, warum er mich geküsst hat und was er für mich empfindet. Schlecht fühl ich mich trotzdem. Meinst du, ich muss es Sarah doch sagen?«
Leila nahm einen Schluck Kaffee und dachte nach.
»Hm, ehrlich gesagt, ist die Situation so oder so nicht ideal für eure Freundschaft. Ich will ja nicht schwarz sehen, aber ich habe noch nie eine Freundschaft erlebt, die so was einfach weggesteckt hat. Blessuren, verletzte Eitelkeiten, traurig und abgewiesen sein, während die andere gerade im siebten Himmel schwebt und frisch verliebt ist, keine gute Kombi.«
Leider sah ich das genauso, zumal Sarah und ich noch nie auf ein und denselben Mann gestanden und null Erfahrung damit hatten, wenn eine von uns vorgezogen wurde. So überglücklich ich wegen Clemens’ Kuss war, so sehr zog es mir den Magen zusammen, wenn ich an Sarah dachte und wie sie sich fühlen würde, falls ich mit Clemens zusammenkam.
»Auf der anderen Seite«, unterbrach Leila meine trüben Gedanken, »wenn wir mal ehrlich sind, hat sie Clemens wie oft getroffen? Zweimal? Dreimal? Das ist noch so neu, so schlimm kann das eigentlich nicht sein, wenn es nichts wird mit ihr und Clemens. Wir sind ja auch keine Teenies mehr, die sich gleich von der Brücke
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