Flaschendrehen: Roman (German Edition)
tragen, wenigstens die Scham bedeckte.
Pünktlich um zwei trudelten Michi, Diane und ich bei Clemens ein und warteten gespannt, was er mit uns besprechen wollte.
Diane setzte sich natürlich neben Clemens und strahlte ihn betörend an, diesen Gesichtsausdruck hatte sie uns bisher vorenthalten.
Clemens schien davon keine Kenntnis zu nehmen, er sah konzentriert ein paar Unterlagen durch. Wie er so versunken und selbstvergessen dasaß! Ich wollte, nein, ich musste diesen Mann haben! Keine Ahnung, wie er es schaffte, aber es schien, als ob es nie einen anderen Mann zuvor gegeben hätte und es auch nie wieder einen anderen geben würde, der auch nur im Ansatz Clemens das Wasser reichen konnte. Wenn es so etwas wie den Mann der Männer, den Urmann gab, dann war es Clemens!
Clemens war fertig und stand auf.
»Ihr fragt euch sicher, weshalb ihr hier seid. Nun, ich habe erfreuliche Nachrichten. Unser erstes Heft kam sowohl in der Geschäftsleitung, aber auch, und das ist viel wichtiger, in durchgeführten Fokusgruppen, in denen wir repräsentative Testleser befragen, gut an. Wenn die Verkäufe sich mit den Ergebnissen der Testleser decken, werden wir einen beachtlichen Start hinlegen. Da wir alle ziemlich geschuftet haben die letzen Wochen, möchte ich die Redaktion heute nach der Arbeit spontan ins Café Petersburg einladen. Ich hoffe, ihr habt noch nichts anderes vor! Und sagt den anderen bitte auch Bescheid.«
Natürlich hatten wir eigentlich alle schon was vor, schließlich war es Freitag, aber keine von uns würde sich einen Abend mit Clemens entgehen lassen. Was konnte schon wichtiger sein?
Mist, wie sah ich aus? Konnte ich so ausgehen? Schnell verdrückte ich mich vor Feierabend aufs Klo, aber anscheinend war ich nicht die Einzige, die einen Spiegelblick riskieren wollte. Michis und Dianes Restaurationsarbeiten waren schon in vollem Gange.
»War ja klar«, schnaubte Diane verächtlich, als sie mich mit Beautycase unter dem Arm sah, und schickte ein »Das könnt ihr euch abschminken. Zufällig weiß ich schon, worauf Clemens steht!« hinterher, bevor sie abzischte.
Es wurde spannend im Rennen um die Weihnachtsgans.
Das hatte ich noch nie erlebt! Gut, in der neunten Klasse waren fast alle Mädchen einschließlich mir in Timo Harder verliebt gewesen, aber seither hatten sich doch glücklicherweise sehr unterschiedliche Geschmäcker herausgebildet. Clemens hingegen schien den Geschmack aller Frauen abzudecken, denn unterschiedlicher als Michi, Diane, Sarah und ich konnte man nicht sein.
Und das Schlimmste daran war, normalerweise hätte ich in so einem Fall meine liebe Freundin Sarah angerufen, die mir einen guten Ratschlag gegeben oder mich zum Lachen gebracht hätte, aber nein, Sarah war ja auch hinter Clemens her!
Ich beschloss, sie trotzdem anzurufen. Das musste unsere Freundschaft aushalten! Wäre doch gelacht.
Sarah hob außer Puste ab.
»Was ist, Gretchen? Ich hab eigentlich gar keine Zeit!«
Wenn Sarah das sagte, stimmte das. Wenn sie keine Zeit hatte, rettete sie Menschenleben.
»Alles klar, ist nicht so wichtig. Wollte dir den neuesten Stand bezüglich Clemens mitteilen.«
»Schieß los! Ein paar Minuten sind drin.«
Die Neugierde hatte gesiegt!
»Clemens hat die Redaktion samt Volos und Praktis für heute Abend spontan auf ’nen Drink ins Café Petersburg eingeladen, und wir haben zwei neue ernst zu nehmende Nebenbuhlerinnen, Michi und Diane.«
Ich konnte hören, wie Sarah sich eine Zigarette ansteckte.
Bestimmt hatte sie sich wieder auf eine Toilette geschlichen, rauchen war strikt verboten im Krankenhaus.
»Damit das klar ist, wenn Clemens jemand bekommt, dann du oder ich, aber bestimmt keine andere! Sag mal, ist das heute Abend strikt auf eure Redaktion beschränkt? Sonst komme ich mit und sehe mir unsere Konkurrenz mal genauer an.«
Ich musste grinsen. Ein gemeinsames Feindbild zu haben war gut für den Zusammenhalt.
»Natürlich kommst du heute Abend mit! Übrigens, Clemens sagte, dass er dich ganz bezaubernd fand.«
Es fiel mir nur ein bisschen schwer, das zu sagen, aber ich hatte mir fest vorgenommen, nicht zur Zicke zu mutieren und immer mit offenen Karten Sarah gegenüber zu spielen. Das waren wir uns und unserer Freundschaft schuldig. Hach, was war ich doch edel, hilfreich und gut! Fragte sich nur, wie lange noch.
Sarah freute sich hörbar über Clemens’ Kommentar.
»Wirklich? Danke, dass du es mir erzählt hast. Süße, ich muss los, wir treffen uns dann später im Café
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