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Flatline

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Titel: Flatline Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erwin Kohl
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verwaist. Joshua bekam ein schlechtes Gewissen. Er nahm sich einen lauwarmen Kaffee aus der Thermoskanne auf der Fensterbank und begann damit, den Aktenstapel auf seinem Schreibtisch zu bearbeiten. Der Blick fiel auf eine Umlaufmappe neben dem Telefon. Sie kam vom KK 11 und enthielt Kopien der Briefe, die Seifert in MarkusStachinskys Zimmer gefunden hatte, sowie einige Privatfotos. Joshua blätterte sie durch und blieb an dem Foto eines jungen Mannes hängen. Es handelte sich, wie der Text darunter verriet, um Thomas Stachinsky. Auf seinem Arm hielt er einen Säugling. Joshua hielt das Foto dicht vor seine Augen. Er kannte dieses Gesicht. Die dunklen Haare zum Mittelscheitel gekämmt, das kantige, leicht hervorstechende Kinn. Heute Mittag auf dem Gelände der Uni hatte er schon das Gefühl gehabt, Stachinsky bereits irgendwo begegnet zu sein. Es war unmöglich, er hatte die letzten zwanzig Jahre in Argentinien gelebt. Es muss also sehr lange her sein, grübelte Joshua. Auf einmal kam es ihm so vor, als öffne sich ein Vorhang vor seinen Augen. Mit einem Satz sprang er auf und lief aus dem Büro.
     
     

19
    Gideon Lambert fühlte sich schläfrig. Die letzte Injektion vor einer Stunde musste ein starkes Beruhigungsmittel gewesen sein. Sein Verstand war aber fast wieder so klar wie der Quadratmeter Himmel, den er durch die gläserne Dachkuppel über sich sehen konnte. Die wenigen Stunden des Tages, in denen er seinen Verstand nutzen konnte, verbrachte er in ohnmächtiger Angst. Seine Gelenke schmerzten, die Lederriemen an seinen Händen und Beinen verhinderten jede Bewegung. Das Atmen fiel ihm schwer. Gestern hatte man ihm eine Atemschutzmaske umgebunden. Er wunderte sich über die ihn umgebende Stille. Das leise Surren der Apparate, es war verstummt. Gideon vernahm Stimmen aus dem Nebenraum. Er versuchte zu schreien. Aus der Maske kamen nur dumpfe Laute. Verzweifelt versuchte er, dem Gespräch zu lauschen. Eine durchdringende Stimme fragte nach Markus Stachinsky. Das Gespräch wurde hitziger, er hörte die Stimme erneut nach Markus Stachinsky fragen, dieses Mal erheblich lauter.
    »Wie oft soll ich es noch sagen? Ich kenne keinen Markus Stachinsky und jetzt raus hier, sonst rufe ich die Polizei!«, hörte er den Doktor schreien. Gideon Lambert zog sich der Brustkorb zusammen. Schweiß bildete sich auf seiner Stirn. Er bekam mit, wie eine Tür ins Schloss fiel und eine zweite kurz darauf geöffnet wurde.
    Seine Pupillen weiteten sich vor Angst, als der Mann wortlos eine Spritze aufzog. Voller Entsetzen schrie Lambert in den dicken Stoff seiner Maske.
    »Du hast es bald geschafft. Noch eine Spritze und dann machen wir zwei einen kleinen Ausflug. Ich hatte mir eigentlich mehr von dir erhofft, schade.«
    Seine Stimme klang gutmütig. Er hörte sich an wie ein Vater, der freundschaftlich mit seinem Sohn spricht. Hinter seinem Lächeln war Kälte zu erahnen, während er die Spritze ansetzte. Gideons Muskeln entspannten sich, sein Körper hatte bereits kapituliert. Er wartete auf das Licht. Es kam nicht. Für einen Augenblick fühlte Lambert Erleichterung, bis er die zweite Spritze sah. Wieder explodierte dieser grelle Blitz in seinem Inneren. Er wartete auf dieses unbeschreibliche Glücksgefühl, sein Kreislauf schien ihn zerreißen zu wollen. Dunkelheit umgab ihn, die Gedanken erloschen.
     
    Langsam kehrte sein Bewusstsein zurück, zog ihn empor aus einem Meer von Licht und Farben. Die Welt schien in gleichmäßigem Rhythmus zu schaukeln. Unwirkliche Bilder drangen in sein Hirn. Klare, kalte Luft zog in seine Nase. Sie roch nach Tannennadeln und Feuchtigkeit. Gideon Lambert spürte einen harten Gegenstand in seinem Rücken. Er wollte sich drehen, aber sein Körper gehorchte ihm nicht. Schemenhaft erkannte er einen Mann. Er wirkte übermächtig wie ein Riese, als er sich herunterbeugte. Seine Gesichtszüge schaukelten sanft wie die Oberfläche eines Sees. Der eisige Blick machte ihm Angst.
    Den Einstich der Spritze nahm er kaum wahr. Er vernahm immer leiser werdende Schritte auf einem Kiesbett, wollte sich herumdrehen, aber sein Körper gehorchte ihm nicht mehr. Mühsam gelang es ihm, die Augen zu öffnen. Gideon sah drei Lichter, die immer größer wurden. Ein durchdringender, lauter Signalton, gefolgt von markerschütterndem, metallischem Kreischen bohrte sich in seinen Kopf. Gideon Lambert schloss die Augen.
     
     

20
    Als Joshua auf dem Hof seiner Eltern aus dem Auto stieg, hielt er sich reflexartig die

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