Flatline
Überdosis Rauschgift als Todesursache. In beiden Fällen. Joshua schreckte aus seinen Gedanken.
»Sie haben doch Proben von einem zweiten Drogentoten bekommen, oder?«
Marburgs Augenbrauen wanderten hoch und sorgten für erneute Faltenbildung auf seiner Stirn.
»Stimmt, das hatte ich vergessen. Die Befunde sind nahezu identisch. Bis auf eine Kleinigkeit. Im Blut des Krefelder Opfers fanden wir zusätzlich Antikörper von zwei verschiedenen Grippeerregern. Das ist zwar ungewöhnlich, aber durchaus nicht unmöglich. Einige Viren sowie Zellhüllen konnten wir ebenfalls nachweisen.«
Joshua schnippte zufrieden mit den Fingern. Das war der endgültige Beweis dafür, dass die Fälle zusammenhingen. Bornmeier dürfte keine andere Wahl mehr bleiben, als ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Marburg hatte sein Anliegen schon erahnt und den entsprechenden Bericht in Kopie parat. Mit zufriedenem Gesichtsausdruck überreichte der Professor Joshua die grüne Akte.
18
Joshua hatte sich unterwegs an einer Tankstelle Einwegrasierer gekauft. Vor dem Innenspiegel seines Autos kratzte er flüchtig die Haare an den Wangen und am Hals ab. Das Ergebnis hatte Ähnlichkeit mit einer ordentlichen Rasur.
Voller Erwartung übergab er Bornmeier den Bericht des Virologen.
»Trempe, Sie geben wohl nie auf, was?«
Seine Stimme hatte einen freundlichen Unterton. Joshua redete sich ein, eine Spur von Anerkennung herauszuhören. Mit einem tiefen Seufzer schlug Bornmeier die Mappe auf und reduzierte Joshuas Optimismus auf ein Mindestmaß. Für gewöhnlich überflog der Staatsanwalt derlei Schriftsätze nur kurz und versprach, sich später ausgiebig darum zu kümmern. Bornmeier beugte sich aber vor und schien den Bericht Zeile für Zeile zu lesen. Joshua versuchte, kleinste Regungen, minimale Veränderungen in der Mimik des Staatsanwaltes auszumachen. Nach zehn Minuten schlug er die Mappe zu. Mit zusammengepressten Lippen sah er Joshua in die Augen.
»Zugegeben, eine interessante These.«
Joshua war sich über die mögliche Reaktion des Staatsanwaltes nicht klar, als er dessen Büro betrat. Er kannte Bornmeier schon über ein Jahr, konnte ihn allerdings noch nie richtig einschätzen. Er überdachte den Grad seiner Motivation. War er dermaßen überzeugt von einer Straftat, dass selbst kleinste Hinweise zu handfesten Indizien wuchsen? Er sah Marburg vor sich. Der ernste Blick, die Überzeugung, die aus jedem seiner Worte drang. Die Argumentation des Mediziners erschien ihm absolut schlüssig. Joshua fand darin keinen Raum für Zweifel.
»Herr Trempe«, fuhr Bornmeier fort, »meine Aufgabe besteht darin, Fakten von Vermutungen zu befreien und den Rest zu bewerten. Das sollte übrigens auch Ihre Intention sein. In dem Bericht werden sehr viele Konjunktive verwendet. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind die Erreger gentechnisch manipuliert worden, zum Beispiel. Oder hier«, Bornmeier blätterte in der Kladde, »die Viren sind dem Opfer vermutlich künstlich zugeführt worden. Vermutlich, wahrscheinlich, Trempe, ich brauche Fakten und keine Halbwahrheiten.«
Joshua spürte, wie sich sein Puls beschleunigte. Seine Wut konzentrierte sich auf Marburg. Der Professor hatte einen Riesenballon aufgeblasen und in dem Bericht die Luftrausgelassen. Mit einem Ruck zogen ihn die Ergebnisse wieder auf den Ausgangspunkt der Ermittlungen zurück. Bornmeiers Mundwinkel glitten nach oben. Der Hauch eines Lächelns war zu erkennen.
»Eine Grundlage, Vorabermittlungen einzuleiten, sehe ich aber gegeben. Ich mache Ihnen einen Vorschlag, Trempe.«
Der Staatsanwalt lehnte sich vor und schien eine Reaktion des Kripobeamten abzuwarten. Als Joshua keinerlei Regung zeigte, fuhr er fort.
»Ich werde veranlassen, die Proben von unseren Spezialisten beim BKA untersuchen zu lassen. Sollten die Kollegen zu demselben Ergebnis kommen wie Ihr Professor, leite ich ein Ermittlungsverfahren ein. Allerdings«, Bornmeier zögerte eine Sekunde, »für eine Mordermittlung sehe ich nach wie vor keinen Anhaltspunkt.«
Joshua stand wortlos auf und reichte dem Staatsanwalt resigniert die Hand. Mit diesem Teilerfolg wollte er sich nicht zufriedengeben.
In seinem Auto kramte Joshua einen Zettel aus der Tasche seiner Lederjacke und überflog die Adresse. Nach kurzem Zögern steckte er ihn wieder zurück. Sein Fernbleiben bei der Pressekonferenz würde Karin sicher geradebiegen, aber die Fahrt zu diesem Institut nach Dormagen konnte er sich nicht erlauben.
Das Büro war
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