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Flatline

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Titel: Flatline Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erwin Kohl
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durchstöberte er zeitgleich das Internet. Karin und Joshua hatten sich an die Arbeitsweise des Kollegen gewöhnt, immer zuerst das Internet zu befragen. Karin nannte ihn deshalb gelegentlich den »www-Kommissar«.
    »Das könnte ein Ansatz sein«, murmelte Daniel, während er eine Internetseite durchlas.
    »Und wir spielen auch noch mit.«
    Mit betont nachdenklichem Ausdruck sah Daniel die beiden an.
    »Würde der Herr seinen Kollegen vielleicht die Gnade erweisen, an seinen Gedanken teilzuhaben?«, Karin hasste Daniels Art, künstliche Spannung zu erzeugen. Mit einem zufriedenen Grinsen tat er ihr den Gefallen.
    »Es gibt weltweit eine Reihe von Forschungsinstituten, die sich damit beschäftigen, einen universellen Impfstoff gegen alle Arten von Grippeerregern zu entwickeln. Hier steht«, er deutete auf seinen Monitor, »wer diesen als Erstes veröffentlicht, dem dürfte der Nobelpreis für Medizin sicher sein.«
    Karin und Joshua tauschten irritierte Blicke.
    »Vielleicht war das die Absicht des Täters? Er hat uns eine Leiche serviert, die das Ergebnis seiner Forschungen beinhaltet. Und wir geben diese Ergebnisse umgehend an die Öffentlichkeit weiter.«
    »Sicher. Als Nächstes schickt der Täter eine Bewerbung zum Nobelpreiskomitee«, Karin schüttelte den Kopf.
    »Das meine ich nicht«, fuhr Daniel fort, »es deutet auf ein gewisses Maß an Eitelkeit hin. Er möchte seine Arbeit gewürdigt wissen. Der Täter wusste genau, was er uns mit dieser Leiche serviert.«
    »Gar nicht so abwegig«, nahm Joshua den Gedanken auf, »es ist beinahe so, als würde ein Mörder uns die Tatwaffe ins Haus schicken. Es wäre sicherlich klüger gewesen, das Opfer zu verbrennen oder in einen See zu werfen, statt es uns auf dem Silbertablett zu servieren.«
    »Der Täter kann auch absolut überzeugt gewesen sein. Mal ehrlich, wäre der Zug eine Sekunde später gekommen, der Lokführer hätte den Mann nicht gesehen und wir wären vermutlich weiter damit beschäftigt, eine Bankraubserie aufzuklären.«
    »Uns wurden Drogentote serviert, die absolut nichts mit dem Milieu am Hut haben. Ein Profikiller würde nicht so agieren. Zumal die Viren in ihrem Körper eine verräterische Spur bedeuten können.«
    »Falls der Täter davon wusste.«
    Joshua zögerte. Sie hatten absolut keine Kenntnisse darüber, ob es sich um einen Einzeltäter handelte oder nicht. Er zog den Zettel mit der Internetadresse aus der Tasche und gab ihn Daniel.
    »Von Doktor Abel. Versuch doch mal bitte, was rauszubekommen.«
    In diesem Augenblick betrat Michalke das Büro. Der Kriminaltechniker wirkte müde, ausgepowert. Mit hängenden Mundwinkeln legte er ein Phantombild auf den Schreibtisch. Karin nahm es und reichte es wenig später kopfschüttelnd an Daniel weiter.
    »Der Herr trug keine Brille und auf seiner Nasenspitze befand sich kein weithin sichtbares Furunkel. Das ist auch schon beinahe das Einzige, worauf diese Studenten sich einigen konnten. Hoffentlich möchte niemand von denen eine Laufbahn bei der Polizei einschlagen.«
    Daniel reichte das Bild ebenfalls kopfschüttelnd weiter. Joshua dachte darüber nach, warum niemand in dieser Wohngemeinschaft Anstoß daran nahm, dass ein wildfremder Mensch das Zimmer eines Mitbewohners sehen wollte. Er hatte das Bild bereits achtlos abgelegt, als eine innere Stimme ihn mahnte, es noch einmal anzusehen. Auf den ersten Blick war es ein Durchschnittsgesicht, wie es sicherlich tausendfach in dieser Stadt vorkam. Gleichmäßige Züge, eine modische Kurzhaarfrisur, keinerlei Grübchen, Falten oder sonstige Besonderheiten. Ohne Befund, wie ein Mediziner sagen würde. Ein Detail gab es aber, welches Joshua veranlasste, das Bild noch einmal genauer in Augenschein zu nehmen. Die ungewöhnlich eng zusammenliegenden, kleinen Pupillen. Joshua streckte den Arm, der das Bild hielt, weit von sich. Allmählich füllte es sich mit Leben, wurde dreidimensional und schien ihn freundlich anzulächeln. Joshua war sich nun sicher, diesen Mann in den letzten Tagen gesehen zu haben.
     
     

26
    Daniels Stimmung wankte zwischen Wut und Enttäuschung. Karin musste dringend nach Hause, ein klärendes Gespräch mit ihren Kindern führen. Joshua wollte unbedingt noch Seifert besuchen. Also baten sie ihn, zur Virologie zu fahren und einen ersten Bericht abzuholen. Vor wenigen Minuten hatte ihn der Pförtner dort mitleidvoll angesehen und mitgeteilt, dass heute Samstag sei. Dass seine Kollegen ihn an diesem Tag kurz vor achtzehn Uhr vergebens

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