Flatline
Wünsche?«
»Wünsche, Wünsche. Er benötigte des Öfteren Probanden mit Allergien oder Hautproblemen.«
Joshua reichten die Informationen. Abel konnte mit einem weiteren Besuch rechnen.
30
Der Taxifahrer hatte der Funkzentrale das Ziel zweimal angeben müssen. Es war ungewöhnlich, am späten Sonntagabend das Gewerbegebiet in Heerdt anzufahren. Vor einer Viertelstunde war bereits ein Kollege dort frei geworden. Er wendete in der Hofeinfahrt der Firma. Im Scheinwerferlicht sah er seinem Fahrgast hinterher. Außerhalb des milchiggelben Lichtes der Straßenlaternen war alles stockdunkel. Das Licht der Scheinwerfer wanderte über den Rücken des Mannes, erhellte kurz dessen Hinterkopf und wendete sich schließlich ab.
Stachinsky überdachte noch einmal die Beschreibung, die er vor einer Stunde am Handy mitgeteilt bekam. Er blieb stehen, suchte die Umgebung ab. Seine Pupillen hatten sich so weit vergrößert, dass er den schmalen Weg erkannte, der um den Flachbau herumführte. Der Kies unter seinen Füßen knirschte leise und bedrohlich. Aus dem Anbau am Ende des Weges drang weißes Neonlicht nach außen. Er fragte sich, welchen Grund es geben konnte, dass er diesmal den Seiteneingang benutzen sollte.
Wie ein Dämon aus der Dunkelheit kommend, trat die Erinnerung in sein Bewusstsein. Sie hatten die Geräte abgeschaltet, viel zu früh abgeschaltet. Markus lebte noch. Während Doktor Fahnenbruck ihm die Nachricht vom Tod seines Kindes mitteilte, stürmte seine Assistentin in den Flur.
»Seine Finger! Sie haben sich bewegt!«, schrie sie.
Der Arzt hatte ihn wiederbelebt. Sein Herz schlug ungleichmäßig. Es hatte die Zeit ohne die rettenden Automaten nicht unbeschadet überstanden. Sie gaben ihm noch wenige Tage, die Krankenkasse hatte Markus bereits abgeschrieben. Sie spielten auf Zeit, zögerten. Die Privatklinik in London war seine letzte Chance.
Eine Ratte lief über seine Schuhe und holte Stachinsky in die Wirklichkeit zurück. Die Gerichtsverhandlung bekam er nur noch aus dem fernen Argentinien mit. Fahnenbruckmusste eine kleine Geldstrafe bezahlen. Die Zulassung wurde ihm allerdings entzogen. War der Tod seines Sohnes die späte Rache? Kalter Schweiß bildete sich auf seiner Stirn. Er hatte seinem Sohn nie etwas von dieser Nacht erzählt. Stachinsky konnte nicht darüber reden, hatte die Ereignisse verdrängt. Als er den Namen Fahnenbruck im letzten Brief, den er von seinem Sohn bekommen hatte, las, spürte er die Vergangenheit, die sich wie ein Netz über ihn ausbreitete.
Vier Chancen hatte Stachinsky. Nach diesem letzten Brief seines Sohnes hatte er die guten Kontakte zu den Behörden der argentinischen Hauptstadt, die er sich in den letzten zwanzig Jahren mit gezielten Zuwendungen aufgebaut hatte, genutzt. Über das dortige Außenhandelsministerium bekam er die Adressen von Pharmakonzernen, die in der unmittelbaren Nähe Düsseldorfs Forschungseinrichtungen betrieben. Der Rest war ein Kinderspiel.
Dreimal wurde er am Telefon freundlich abgewiesen. Beim vierten Telefonat, bei der vierten Frage nach Jonas Fahnenbruck drang eine Stille an sein Ohr, die seine Nerven anspannte wie das Drahtseil unter einem Artisten. Als Stachinsky ihm vor wenigen Tagen gegenüberstand, hatten sie sich nicht wiedererkannt. 20 Jahre hatten die Erinnerung vertilgt. Dieses Mal hatte er sich mit Namen gemeldet. Fahnenbruck ahnte in diesem Augenblick, dass er im Visier seines Jägers stand. Er vermied es, an Flucht zu denken, wollte die Konfrontation. Es gäbe für alles eine Erklärung, behauptete Fahnenbruck. Seine Stimme klang dabei leise, vorsichtig, sie verströmte Unsicherheit.
Stachinsky zog die P 38 aus der Manteltasche und entsicherte sie. Kurz vor der Seitentür ging das Licht aus. Er stoppte abrupt. Fahnenbruck wird nicht so naiv sein, ins offene Messer zu laufen, dachte er. Vereinzelt drang das Licht des Mondes durch das kahle Geäst der Linde über ihm. Für einen Schatten reichte es nicht aus. Stachinsky hielt den Atem an, verharrte regungslos neben der Seitentür. Es war nur das Rascheln einer Maus neben ihm zu hören. Eben noch hatte er geglaubt, Schritte zu hören. Er drehte sich herum, sah den Weg, den er gekommen war, nach wenigen Metern in der Dunkelheit verschwinden.
Hass und Trauer waren schlechte Ratgeber. Stachinsky musste sich eingestehen, blindlings zu agieren. Er hatte die Gelegenheit ergriffen, ohne sie zu hinterfragen. Ohne die kleinste Sicherheit, dass sich an
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