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Flatline

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Titel: Flatline Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erwin Kohl
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Vorhabens.
    »Was macht Sie so sicher, den Impfstoff hier einsetzen zu dürfen? Sie haben keine Zulassung.«
    Sänger lachte. Er sah den drahtigen Mann an wie einen kleinen Jungen.
    »Meine Firma sitzt in Simbabwe. Dort bekomme ich die Zulassung in kürzester Zeit. Die dortige Regierung ist durch großzügige Spenden unseres Unternehmens schon fast zur Filiale geworden. Selbst wenn die Bundesregierung sich weigern sollte, die Seuche dürfte sich mit enormer Geschwindigkeit um den Erdball verbreiten. Andere Länder werden auf Knien darum bitten, ihnen den Impfstoff zu verkaufen. Aber nach den ersten Todesfällen wird auch unsere Regierung die Lage überdenken, spätestens, wenn dieses schöne Land von der Staatengemeinschaft unter Quarantäne gestellt wird.«
    Sängers Gesichtsausdruck nahm zufriedene Züge an, sein Gegenüber verfiel wieder in eine gleichgültig anmutende Gelassenheit. Die weitere Entwicklung konnte ihm auch völlig egal sein. Zwei Raten der versprochenen drei Millionen Dollar hatte er bereits, die dritte stand kurz bevor.
    Nachdem sein Besucher das Büro verlassen hatte, genehmigte Sänger sich einen 1970er Thomas Hine Cognac. In Gedanken ging er ein halbes Jahr zurück. Die zufällige Begegnung mit Jonas Fahnenbruck.
    Der gescheiterte Arzt hatte sich um eine Anstellung in der Abteilung Forschung und Entwicklung beworben. Die Referenzen waren denkbar schlecht, seine Vita hätte maximal zu einer Tätigkeit als Laborgehilfe gereicht. Die Bewerbungsunterlagen waren umgehend zurückgesandt worden. Aber Fahnenbruck hatte nicht aufgegeben. Irgendwann war er am Sportflugplatz aufgetaucht und hatte um ein Gespräch mit dem Hobbypiloten Sänger gebeten.
    Sanft drehte Sänger den Schwenker im Kreis, hielt ihn unter die Nase, bevor er einen kleinen Schluck nahm. Diese Begegnung sollte sein Leben verändern.
    Fahnenbruck hatte das Gespräch mit der verblüffenden Aussage eröffnet, er forsche erfolgversprechend an einem universellen Impfstoff gegen alle Arten von Grippeerregern. Sänger erinnerte sich an seine erste Reaktion. Er war darüber verärgert gewesen, hatte das Gespräch bereits im Ansatz für pure Zeitverschwendung gehalten, ihn abwimmeln wollen. Fahnenbruck aber hatte sich verschwörerisch umgesehen, einige Zettel aus der Innentasche seiner Leinenjacke gezogen und damit begonnen, Sänger in seinen Bann zu ziehen. Obwohl Fahnenbruck die entscheidenden Details noch verschwiegen hatte, reichte es Sänger bereits aus, um auf ihn zu setzen.
    Die Idee war ebenso einfach wie genial. Die Lösung vor Augen, erschien es geradezu unglaublich, dass Forscherteams rund um den Globus seit Jahrzehnten erfolglos danach suchten.
    Sänger war Kaufmann, hatte Betriebswirtschaft studiert. Ein Medizinstudium war für die Leitung eines Pharmakonzerns nicht notwendig gewesen, ihm reichten die außergewöhnlichen Fähigkeiten als Manager. Fahnenbrucks Vortrag wanderte in sein Bewusstsein. Sänger war dermaßen fasziniert gewesen, dass er ihn noch heute, ein halbes Jahr danach, Wort für Wort wiedergeben konnte. Ein Grippevirus gleicht der Hülle einer Kastanie. Zwei Arten von Proteinen, das Hämaglutinin, kurz H, sowie die Neuraminidase, kurz N, stellen gewissermaßen die Stacheln dar. Ihre Anzahl bestimmt die Klassifizierung, beispielsweise H5N1. Bisherige Impfstoffe simulieren diese Proteine und regen das Immunsystem an, Antikörper zu bilden. Das Problem dabei war bisher, dass bei jeder Mutation des Erregers ein neuer Impfstoff entwickelt werden musste, beziehungsweise für jeden neu entdeckten Virus. Fahnenbruck kam nun auf die Idee, nicht mehr die ›Stacheln‹ zu simulieren, sondern den Kern. Dieser ist bei allen Grippeviren identisch und enthält das M2e-Protein. Die Schwierigkeit bestand darin, einen Träger für dieses Protein zu finden. Fahnenbruck gelang dies nach langwierigen Versuchsreihen mit inaktiven Hepatitis-B-Erregern. Um diese in ausreichenden Mengen herzustellen, fehlten ihm das nötige Equipment sowie die finanziellen Mittel. Darum musste Fahnenbruck sich notgedrungen einen starken Partner ins Boot holen.
    Sänger dachte an das große Glück, welches ihnen beschieden war. Jeden Tag hätte es passieren können, dass der Vogelgrippevirus sich auf den Menschen übertrug und die Ausbreitung der Epidemie rasend schnell vonstattenging. Die Konkurrenz würde in dem Fall Tag und Nacht an der Produktion eines Impfstoffes arbeiten. Sein wichtigster Trumpf wäre somit wertlos geworden.

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