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Flatline

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Titel: Flatline Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erwin Kohl
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Die Situation war paradox. Während Fahnenbruck fieberhaft daran arbeitete, den Erreger auf den menschlichen Organismus zu übertragen, fürchteten sie, dass die Natur ihnen zuvorkommen würde und er selbstständig mutierte.
    Sänger führte den Schwenker noch einmal genüsslich an seine Unterlippe. Dummerweise ging es Fahnenbruck nicht nur um Geld, er wollte auch den Ruhm. Der Plan, die Forschungsergebnisse in einem Fachblatt zu veröffentlichen, widersprach Sängers Vorhaben, sie mussten einschreiten. Zum Glück war Fahnenbruck dermaßen von Ehrgeiz getrieben gewesen, dass er zuvor sämtliche Unterlagen aus den Wohnungen der Studenten entwendet hatte. Sein Tod und der Tod der Studenten mussten sein. Sänger spürte kalten Schweiß auf der Stirn. Durch die Todesfälle war ein Stein ins Rollen gebracht worden, der in der Lage war, eine Lawine auszulösen. Es galt nun, sich im richtigen Augenblick abzusetzen. Allerdings misstraute Sänger dem einen, der eingeweiht war. Sobald die Blutreserven mit den Erregern durchsetzt wären, würde er von der Bildfläche verschwinden. Aus Simbabwe würde er den deutschen Behörden einen dezenten Hinweis geben. Diese würden dann die einzige Person aus dem Verkehr ziehen, die ihm noch gefährlich werden konnte. Einem mehrfachen Mörder, dem es darum ging, seine Haut zu retten, würde die Polizei wohl wenig Glauben schenken. Mit einem hämischen Grinsen setzte Sänger ein letztes Mal den Cognacschwenker an.
     
     

37
    Drei Streifenfahrzeuge sowie drei weitere zivile Einsatzfahrzeuge blieben in Angermund nicht lange verborgen. Nachdem sich die Nachbarn des nördlichsten Düsseldorfer Stadtteils anfangs darauf beschränkten, durch beiseitegeschobene Gardinen an wichtige Informationen zu gelangen, standen nun die ersten auf dem Bürgersteig und diskutierten. Hinter den angrenzenden Feldern zeichneten sich die Umrisse von Schloss Heltorf ab. Aus dem Wassergraben, der das Schloss umgab, stiegen kleine Nebelwolken empor und verliehen dem alten Gemäuer einen gespenstischen Rahmen. Joshua erinnerte sich an Spaziergänge mit Kinderwagen durch den angrenzenden Waldpark. Nirgendwo am Niederrhein gab es derart viele und prächtige Rhododendronsträucher. Janine faszinierte vor allem der Tulpenbaum, der dort bereits seit dem Jahr 1799 steht.
    Unterhalb der Klingel neben der Wohnungstür befand sich ein schlichtes Plastikschild mit dem Namen Fahnenbruck. Das Türschloss schien unversehrt. Der Mann im Arbeitsanzug mit dem Aufdruck eines Düsseldorfer Schlüsseldienstes hatte wenig Mühe mit dem Schloss. Die Tür war nicht abgeschlossen.
    Als Joshua das Wohnzimmer betrat, bestätigte sich seine Befürchtung schon beim ersten Blick durch den Raum. Es war das blanke Chaos. Herausgezogene Schubladen lagen auf dem Fußboden, deren Inhalt weit verstreut. Polster der Ledergarnitur waren aufgeschlitzt, Teppiche zusammengerollt. Selbst eine Yuccapalme lag mit ihrem Wurzelballen neben dem Topf. Joshua sah sich noch einige Minuten in den Räumen der Einliegerwohnung um. Er glaubte nicht, hier auf neue Erkenntnisse zu stoßen. Joshua ging nach draußen. Eine ältere Dame im bunten Kittel und mit leichtem Schlaf war die einzige Person, die eine Aussage machen konnte.
    »Herr Fahnenbruck kam in der Nacht, so gegen … ja, um zehn Minuten nach vier Uhr«, sie antwortete in breitem Düsseldorfer Dialekt, »da wollte Moppel, mein Kater, rein. Deshalb weiß ich das so genau. Der arme Herr Fahnenbruck arbeitet oft bis tief in die Nacht.«
    »Haben Sie ihn gesehen?«
    »Gesehen? Nein. Nur gehört.«
    »Kam er mit dem Auto. Ist Ihnen irgendetwas aufgefallen?«
    Die Frau strich sich eine graue Strähne hinters Ohr.
    »Ein Auto habe ich nicht gehört. Jetzt, wo Sie es sagen. Sind Sie deswegen hier. Hat man sein Auto gestohlen?«
    Joshua bedankte sich freundlich.
    Auf dem Rückweg zum LKA erkundigte Joshua sich bei der Taxizentrale auf der Kölner Straße. In der fraglichen Nacht war zwischen zwei und fünf Uhr kein Fahrzeug in Angermund gewesen.
     
    Thomas Stachinsky befand sich bereits in dem kleinen, abgeschotteten Verhörraum des Landeskriminalamtes. Joshua wollte direkt durch das angrenzende Zimmer laufen, um mit der Vernehmung zu beginnen. Mitten im Raum stoppte er abrupt. Neben Schorndorf standen zwei Männer mittleren Alters in Businesskleidung. Schorndorf stellte sie ihm als Fred Bachmann und Rudolf Selter vom Bundeskriminalamt vor. Aufgrund der besonderen Brisanz des Falles im Hinblick

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