Flatline
auf die mögliche Seuchengefahr wurden sie abgeordnet, um den Kollegen vom LKA beratend zur Seite zu stehen, wie Schorndorf sich ausdrückte. Bachmann, der ältere der beiden, deutete ein freundliches Grinsen an. Auf Joshua wirkten sie wie Kontrolleure. Er konnte es nicht ausstehen, wenn ihm jemand während der Arbeit auf die Finger sah. Mit einem trockenen »Hallo« streckte er ihnen die Hand entgegen.
»Herr Trempe, macht es Ihnen etwas aus, wenn die Kollegen bei der Vernehmung zugegen sind?«
Und ob, dachte er und nickte stumm.
»Wir werden uns nicht einmischen«, versuchte Selter die Situation zu entschärfen.
»Dann können Sie ja auch hier auf mich warten. Die Vernehmung wird live übertragen.«
Selter zeigte keine Regung. Als Schorndorf einschreiten wollte, hob der BKA-Mann beschwichtigend seine rechte Hand und nahm Platz.
Stachinsky saß mit gefalteten Händen an dem kleinen Tisch in der Mitte des Raumes. Er trug verwaschene Gefängniskleidung. Seine eigene wurde derzeit von den Kollegen der Kriminaltechnik untersucht. Es war das Bild eines alten, gebrochenen Menschen. In seinem Gesicht waren weder Kälte noch Wärme erkennbar. Der Ausdruck war ebenso leer wie sein Blick. Auf die Anwesenheit eines Rechtsanwaltes verzichtete Thomas Stachinsky. Einen Moment hatte Joshua erwogen, das Gespräch gemeinsam mit Karin zu führen. Ihm kamen Zweifel, ob er über die nötige Neutralität verfügte. Stachinskys Verhalten, als er ihn nach der Waffe gefragt hatte, die Meinung seines Vaters, der Umstand, dass Stachinskymit dem Taxi zum Tatort gefahren und am nächsten Morgen noch einmal dort hingegangen war. All das hatte dazu beigetragen, dass Joshuas anfänglicher Verdacht sich auflöste. Das Motiv und die Tatwaffe mit den Fingerabdrücken waren allerdings überdeutliche Indizien. Vorschriftsmäßig schaltete Joshua das Bandgerät ein und machte die übliche Ansage fürs Protokoll. Dann stockte er. Die Gedanken wanderten in den angrenzenden Raum. Er fühlte sich beobachtet. Obwohl er es gewohnt war, bei jedem Verhör beobachtet zu werden, beschlich ihn ein mulmiges Gefühl. Was passierte nach dem Verhör? Würden sie ihm jeden kleinen Fehler vorhalten, würde er seine Vernehmungstaktik erklären müssen?
»Ich bin unschuldig«, waren die ersten Worte, die das Gerät aufzeichnete. Sie durchdrangen den Raum zaghaft, als glitten sie durch eine Wolke. Joshuas Augen hafteten anStachinsky. Er schwieg sein Gegenüber an, in der Hoffnung, Stachinsky würde die Stille beenden.
»Warum wollten Sie sich mit Jonas Fahnenbruck treffen?«
Stachinsky hielt seinem Blick stand.
»Ich wollte ihn fragen, ob er meinen Sohn getötet hat.«
»Was machte Sie so sicher, dass Ihr Sohn Opfer eines Gewaltverbrechens wurde?«
Stachinsky stieß genervt seinen Atem aus.
»Markus war nicht drogensüchtig …«
Stachinsky zögerte, spürte Joshuas Skepsis.
»Mein Sohn hat mir zwei Wochen vor seinem Tod geschrieben, dass er mit Fahnenbruck an einem neuen Impfstoff forschen will und sehr gut dafür bezahlt wird. Fahnenbruckhat ihn zum Teilhaber gemacht. Markus war ganz euphorisch.«
Eine Träne löste sich aus einem Augenwinkel und rollte gemächlich die Wange hinunter, Stachinskys Stimme zitterte.
»Ausgerechnet Fahnenbruck. Er hatte meinen Sohn schon einmal beinahe auf dem Gewissen. Ich habe damals dafür gesorgt, dass ihm die Zulassung entzogen wurde.«
Joshua wunderte sich. Stachinsky unternahm nicht den geringsten Versuch, die Schlinge um seinen Hals zu lockern. Ihm musste klar sein, dass er mit jedem seiner Worte das Motiv weiter erhärtete.
»Und? Was hat er Ihnen geantwortet?«
Die Lethargie entwich durch einen Schlag seiner flachen Hand auf den Tisch. Das Tonbandgerät vibrierte, Joshua zuckte kurz.
»Verdammt noch mal, das habe ich Ihnen doch schon gesagt. Es kam nicht zum Gespräch. Als ich die Hand auf die Klinke legte, wurde ich niedergeschlagen.«
»Dieser ominöse Dritte hat dann Ihre Waffe genommen und Fahnenbruck erschossen, wollen Sie mir das sagen?«
Joshua beugte sich über den Tisch und schrie ihm ins Gesicht. Stachinsky lehnte sich zurück und antwortete deutlich leiser.
»Ich war bewusstlos, bin am nächsten Morgen in der Hütte eines Schrebergartens aufgewacht. Woher soll ich wissen, was passiert ist?«
»Wissen Sie denn noch, wie Sie nach Angermund gekommen sind, Herr Stachinsky?«
Stachinsky sah ihn an wie ein kleiner Junge, den man nach der Funktionsweise eines
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