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dachte Joshua. Aber hätte Lambert ihn seinem Arzt empfohlen, wenn er Barnetta nicht persönlich gekannt hätte?
»Wie hat Gideon Lambert Herrn Barnetta empfohlen? Hat er gesagt, dass er ihn kennt, oder hatte er nur von ihm gehört? Bitte, es kann sehr wichtig sein.«
»Moment«, Joshua vernahm die Stimme eines Patienten. Abel bat ihn um einen Augenblick Geduld.
»Jetzt fällt es mir wieder ein. Er sagte, Rossi wäre auf diesem Gebiet inzwischen Marktführer an der Uni. Von seinen Kommilitonen habe er nur Gutes über ihn gehört. Kann ich nachvollziehen. Ich bin ihm für diesen Ratschlag sehr dankbar.«
Joshua bedankte sich freundlich für den Anruf. Er legte die Stirn auf die Fingerkuppen der geöffneten Hände und bemühte sich, diese Aussage richtig einzuordnen. Der anfängliche Knalleffekt war schnell verpufft. Dass Gideon Lambert von Rossi gehört hatte, war nach den bisherigen Ergebnissen nicht ungewöhnlich. Lambert hatte sich als Proband zur Verfügung gestellt, so viel war bekannt. Von Barnetta hielt er sehr viel. Zwei Puzzlesteine, die sich auf den ersten Blick nahtlos ineinanderfügten. Ebenso möglich wäre es, dass Abel selbst Lambert als Probanden angeworben hatte. Mit der falschen Spur Barnetta könnte er bezwecken, den entscheidenden Vorsprung für seine Flucht rauszuholen. Joshua kamen Zweifel. Würde der Täter seelenruhig weiter seiner Arbeit nachgehen?
Über Abel, Sänger und Stachinsky hatten sie bereits Erkundigungen eingezogen. Alle drei waren nicht vorbelastet. Joshua loggte sich in die interne Datenbank ein. PaoloBarnetta war nicht erfasst. Das bedeutete, dass er in der Vergangenheit weder erkennungsdienstlich behandelt wurde, noch jemals etwas gegen ihn vorgelegen hatte. Ein Gefühl der Unruhe überkam Joshua. Er musste irgendetwas unternehmen. Sein Verstand glich einem Gewitter, wild zuckten Gedanken wie Blitze durch den Kopf. Niemals zuvor hatte er sich derartig machtlos gefühlt. Er starrte das Telefon an, in der Hoffnung, seine Kollegen würden Sänger möglichst schnell finden.
Joshua rief das Ordnungsamt an, wollte Auskünfte über die Firma Barnetta. Aus Datenschutzgründen musste Joshua die Durchwahlnummer angeben. Der Sachbearbeiter rief ihn sofort zurück.
»Eine Arbeitsvermittlung Barnetta haben wir nicht.«
»Ich war selber dort«, Joshua gab die Adresse durch.
»Moment, ich sehe mal nach.«
Er hörte den Sachbearbeiter mit einer Frau reden, anschließend Klappern einer Tastatur.
»Da haben wir es. Private Arbeitsvermittlung Feldmann. Inhaberin Monika Feldmann, geboren am 12.02.1951 in Schleswig, wohnhaft Poststraße 14 hier in Düsseldorf. Angemeldet wurde das Gewerbe am 2. April 2004.«
Joshua notierte die Daten.
»Betreibt Paolo Barnetta ein anderes Gewerbe in Düsseldorf?«
»Nein. Ich kenne den Herrn nicht.«
Joshua reichte es. Monika Feldmann stand zumindest im Telefonbuch. Es meldete sich niemand. Joshua überlegte, die Dame persönlich aufzusuchen, als sich das Telefon meldete. Es war Corinna, ihre Stimme klang dünn, sie schluckte.
»Jack … schafft es nicht.«
Joshua spürte sein Herz. Eine plötzlich aufkommende Hitze trieb ihm Schweiß ins Gesicht.
»Wie kommst du da drauf?«
Joshua schrie aufgeregt in den Hörer.
»Doktor Mwandala sagte mir eben, es wäre besser, wenn ich bei ihm bliebe. Sie schaffen es nicht mehr, den Kreislauf stabil zu halten. Joshua, kommst du? Bitte! Ich kann nicht mehr.«
»Ich bin sofort bei dir.«
Joshua stand bereits, als er das Gespräch beendete. Im Rennen schnappte er sich die Lederjacke. Von Panik getrieben rannte er durchs Treppenhaus, übersprang immer wieder mehrere Stufen. Auf dem Weg zum Parkplatz wäre er beinahe von einem Auto angefahren worden. Später würde Karin ihm sagen, er habe sie fast umgerannt und dass sie ihmhinterherrief, sie hätten Sänger. Joshua bekam von alledem nichts mit. Die gesamte Motorik funktionierte abgekapselt vom Bewusstsein, Joshua war in Trance. Seine Hand zitterte bei dem Versuch, den Wagen aufzuschließen. In dem Augenblick, als er den Motor starten wollte, meldete sich sein Handy. Bei dem Versuch, das Gespräch anzunehmen, fiel ihm das Gerät fast aus der Hand. Er schnappte nach dem Mobiltelefon, seine Finger zitterten.
»Hier ist Kalle«, klang es hektisch aus dem Hörer, »wir haben Sänger. Er hat eine Waffe bei sich. Vor einer halben Minute ist er ins Labor in Heerdt gegangen. SEK ist verständigt.«
Joshua schloss die Augen. Die Hände verkrampften
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