Flatline
erleichtert atmete der Ermittler durch. Zwei Meter vor ihm lag Sänger in einer Blutlache. Die linke Wange auf die kalten Fliesen gedrückt, der Blick starr. Einen Schritt neben ihm lag die Pistole, ein Modell der Firma Heckler & Koch. Zwei Kollegen griffen Feldmann unter die Achseln und zogen ihn hoch. Seine Hände waren hinter dem Rücken mit Handschellen gefesselt. Joshua gab ihnen ein Zeichen, dass er übernahm.
»Hallo Herr Feldmann.«
Der Angesprochene schwieg. Joshua bückte sich nach einer Sonnenbrille und setzte sie Feldmann auf. Dieser zog dabei angewidert den Kopf zurück.
»Exakt das Phantombild«, vernahm er Karins Stimme hinter sich. Kalle grinste stolz. Joshua hätte sich ohrfeigen können, Feldmann alias Paolo Barnetta nicht erkannt zu haben. Die Haare nach hinten gegelt, Sonnenbrille und schicker Nadelstreifenanzug, schon sah er komplett anders aus. Nase und Ohren, dachte Joshua, den vagen Verdacht hatte er gehabt. Aber es schien so weit weg, so abwegig.
»Ihr kommt klar?«, Freddie hatte es anscheinend eilig.
»Ja, danke für eure Hilfe.«
Joshua griff Feldmann am Arm und führte ihn neben sich her zum Ausgang.
»Hören Sie, Feldmann«, Joshua sprach so leise, als sollte es niemand mitbekommen, »Sie können Ihre Situation deutlich verbessern, indem Sie mir sagen, wo Sie den Impfstoff aufbewahren.«
Markus Feldmann begann zu lachen. Karin und Kalle drehten sich um. Joshua schluckte die aufkommende Wut hinunter, es war der falsche Augenblick. Diplomatie war gefragt, nicht gerade eine seiner Stärken.
»Wie geht es eigentlich Ihrem Kollegen, lebt er noch?«
Karin trat einen Schritt zu Joshua. Sie behielt die Fäuste des Kollegen im Blick.
»Ja, aber möglicherweise nicht mehr lange. Ich schwöre Ihnen, ich mache Sie fertig, wenn er stirbt.«
»Wer sagt denn, dass ich nicht verhandlungsbereit bin? Man kann doch über alles reden.«
»Verhandlungsbereit? Ich glaube, Sie verkennen Ihre Situation.«
Joshua konnte es nicht glauben. Mit den Händen in der Acht wollte Feldmann verhandeln.
»Durchaus nicht, Herr Trempe. Sollte ich vor den Richter gestellt werden, komme ich in diesem Leben nicht mehr aus der Kiste, ganz gleich, ob ich Ihnen entgegenkomme oder nicht. Ich kann also nur gewinnen.«
Joshua verfügte nicht über die geringste Ahnung, was Feldmann vorhatte. Aber ihm war klar, dass er den Impfstoff nicht freiwillig von ihm bekommen würde. Die Anspannung kehrte zurück.
»Was verlangen Sie?«
Die Frage klang schroff. Über Feldmanns Gesicht glitt ein zufriedenes Grinsen.
»Freien Abzug gegen den Impfstoff.«
»Auf gar keinen Fall«, schrie Karin.
»Für diesen Fall schlage ich Ihnen vor, sich von Ihrem Kollegen zu verabschieden. Ich wäre dann so weit«, mit den Augen deutete Feldmann auf die geöffnete Tür.
»Wie stellen Sie sich das vor?«
Karins Augen verdunkelten sich. Sie blinzelte Joshua warnend an.
»Mein Flieger nach Brüssel geht in einer Stunde. Von dort fliege ich weiter. Sobald ich in der Maschine nach Buenos Aires sitze, rufe ich Sie an und teile Ihnen mit, wo Sie den Impfstoff finden werden.«
Joshua kam sich vor, als habe ihm ein Boxer mit voller Wucht einen Tiefschlag verpasst. Er taumelte innerlich. Kalle stand regungslos neben ihnen und wartete auf die Reaktion des Kollegen. Karin schluckte, sie schien damit beschäftigt, sich in Joshuas Lage zu versetzen.
»Warum sollte ich einem Mörder glauben?«
Markus Feldmann zeigte keine Regung. Er trug den Ausdruck eines abgebrühten Spielers. Joshua hasste dieses Spiel. Zumal er nicht die leiseste Ahnung hatte, ob sich hinter der Fassade ein unbedeutendes Pärchen oder vier Asse befanden.
»Tun Sie es für Ihren Kollegen. Es dürfte seine letzte Chance sein.«
Zielsicher drückte Feldmann den Daumen in die offene Wunde. Joshua atmete durch den Mund. Er stand einsam und verlassen im Tal, umgeben von unüberwindbaren Felswänden. Da musst du alleine raus, riefen seine Kollegen von oben herab. Der Impfstoff, sollte er ihn bekommen, durfte nicht einmal eingesetzt werden.
Niemals würde er dafür die Rückendeckung seiner Behörde bekommen. Joshua schluckte, der Kloß in seinem Hals blieb. Schorndorf wird keine Sekunde zögern, mich zu feuern, war er überzeugt. Es gab für Joshua nur die eine Möglichkeit. Er presste die Lippen aufeinander und schloss die Augen.
53
Doktor Mwandala beugte sich über Corinna. Ihre Hoffnung war längst versunken in einem Meer aus Tränen. Der Arzt wischte eine Träne
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