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Flavia de Luce   Halunken  Tod und Teufel

Flavia de Luce Halunken Tod und Teufel

Titel: Flavia de Luce Halunken Tod und Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bradley Alan
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nächste ungebetene Besucher.
    Brookie nahm die Mütze ab und zupfte an seinem Pony – die althergebrachte Gebärde, die Unterwürfigkeit gegenüber Höhergestellten ausdrückte. Wäre er ein Hund gewesen, hätte er sich mit dem Bauch nach oben auf den Boden gelegt.
    »Antworten Sie! Was haben Sie hier zu suchen?«
    Er fingerte an dem Fischerkorb herum, den er am Gürtel trug.
    »Du hast mich kalt erwischt, Frollein.« Er grinste mich entwaffnend an. Überraschenderweise war sein Gebiss in tadellosem Zustand.
    »Aber ich hab nix Böses gemacht. Ja, schon, ich hab euer Grundstück betreten, weil ich dachte, vielleicht hüpft mir’n Kaninchen übern Weg oder so. Geht doch nix über’n schönen
Kanincheneintopf, wenn man schwach auf der Brust ist, was?«
    Er schlug sich mit der Faust auf den Brustkorb und erzeugte einen kleinen Hustenanfall. Da ich diesen Trick selbst schon öfters angewandt hatte, war ich nicht sonderlich beeindruckt. Von seinem Dialekt genauso wenig. Wenn Mrs Mullet recht hatte und seine Mutter eine in Adelskreisen anerkannte Porträtmalerin war, dann hatte Brookie wahrscheinlich Eton oder eine ähnlich schnieke Schule besucht. Er appellierte mit seinem Scheindialekt an mein Mitgefühl, aber auch dieser Trick war mir wohl bekannt, und ich fiel nicht darauf herein.
    »Der Colonel ist kein Jäger«, fuhr er fort, »das weiß jeder. Was ist dann dabei, wenn ich euch von den Viechern befreie, die euch bloß euer Gemüse wegfuttern und Löcher unter euren Hecken buddeln? Was ist schon dabei, hä?«
    Er wiederholte sich – ein fast untrügliches Zeichen dafür, dass er log. Ich wusste keine Antwort auf seine Frage und stand mit verschränkten Armen stumm da.
    »Aber dann hab ich Licht hier drin geseh’n. Nanu, hab ich gedacht, was is’n da los, Brookie? Wer ist denn dort um diese unchristliche Zeit noch wach?, hab ich gedacht. Is da vielleicht wer krank? Der Colonel fährt ja nich Auto, darum hab ich gedacht, Mensch Brookie, vielleicht wird ja wer gebraucht, der ins Dorf läuft und den Dokter holt, oder?«
    Was er sagte, war nicht ganz verkehrt. Harriets alter Rolls-Royce – ein Phantom II – wurde in der Remise wie in einer Art Privatkapelle gehütet. Sowohl Vater als auch ich (aber natürlich nicht gleichzeitig) zogen uns in den Wagen zurück, wenn wir eine Verschnaufpause von dem brauchten, was Vater »die Wechselfälle des täglichen Lebens« nannte.
    Damit meinte Vater natürlich Daffy und Feely – und manchmal auch mich.
    Obwohl Harriet unserem Vater schrecklich fehlte, sprach er nie von ihr. Sein Kummer reichte so tief, dass Harriets Name
ganz oben auf der Schwarzen Liste von Buckshaw stand – der Liste von Themen, die man besser nicht ansprach, wenn einem sein Leben lieb war.
    Ich muss gestehen, dass mich Brookies Erklärung einigermaßen überrumpelte. Ehe mir eine Erwiderung einfiel, quasselte er weiter: »Aber dann dachte ich, nein, Brookie, da steckt was andres dahinter. Wenn auf Buckshaw wer krank ist, brennen noch mehr Lichter als nur eins. Dann wär auch in der Küche Licht, weil jemand Wasser aufsetzt und hin- und herrennt und …«
    »Wenn jemand krank geworden wäre, könnten wir auch telefonieren«, hielt ich dagegen, weil mir sein Lügengespinst instinktiv widerstrebte.
    Trotzdem – ganz unrecht hatte er nicht. Vater verabscheute das Telefon, und wir durften es nur im allergrößten Notfall benutzen. Außerdem war man um halb drei Uhr morgens schneller nach Bishop’s Lacey geradelt – oder sogar gelaufen! –, als dass man Miss Runciman in der Vermittlung aus dem Schlaf gerissen und sie gebeten hatte, den seinerseits schlafenden Dr. Darby anzurufen.
    Taler, Taler, du musst wandern, ging es dann sozusagen – und bis das Spiel zu Ende war, waren wir womöglich alle tot.
    Als wäre er der Gutsherr und ich der Eindringling, hatte sich Brookie breitbeinig vor dem Kamin aufgebaut, in der Mitte zwischen den beiden Messingfüchsen, die einst Harriets Großvater gehört hatten. Er stützte sich nicht mit dem Ellenbogen auf den Kaminsims – aber viel fehlte nicht.
    Als er nun mit gedämpfter Stimme weitersprach, schaute er sich vorher nach allen Seiten um. »Aber halt, Brookie, alter Junge, hab ich gedacht, könnte das nich die berühmte Graue Frau von Buckshaw sein, die du da siehst? Das ganze Dorf weiß ja, Frolleinchen, dass es hier im Haus spukt.«
    Die Graue Frau von Buckshaw? Von einer solchen Erscheinung hatte ich noch nie gehört. Wie abergläubisch die Dorfbewohner
waren!

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