Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet - The Sweetness at the Bottom of the Pie
wischte sich die Hände an der Hose ab, als wollte er sich nicht anstecken.
»Ich sag dem Colonel Bescheid«, brummte er.
»Müssen wir denn nicht die Polizei rufen?«, wandte ich ein.
Dogger strich sich mit den langen Fingern über das unrasierte Kinn, als grübelte er über eine Frage von weltbewegenden Konsequenzen nach. Was die Benutzung des Telefons anging, herrschten auf Buckshaw strenge Vorschriften.
»Hm«, machte er schließlich, »da hast du wohl Recht.«
Wir gingen wieder ins Haus und ließen uns dabei viel, viel Zeit.
Dogger griff zum Telefon und hielt den Hörer ans Ohr, aber ich sah, dass er den Finger fest auf die Gabel drückte. Er machte ein paarmal den Mund auf und zu, dann wurde er weiß wie ein Laken. Sein Arm zitterte und ich fürchtete schon, er würde das »Instrument«, wie wir es nannten, fallen lassen. Er sah mich hilflos an.
»Lass mich das machen.« Ich nahm ihm das Gerät weg.
»Bishop’s Lacey 221«, sagte ich in die Sprechmuschel und dachte beim Warten, dass Sherlock Holmes angesichts dieser Übereinstimmung bestimmt geschmunzelt hätte.
»Polizei«, antwortete eine amtliche Stimme.
»Wachtmeister Linnet? Hier ist Flavia de Luce, aus Buckshaw.«
Ich rief zum ersten Mal bei der Polizei an und musste mich auf das verlassen, was ich im Radio gehört und im Kino gesehen hatte.
»Bei uns gibt es einen Toten«, fuhr ich fort. »Können Sie bitte einen Inspektor herschicken?«
»Brauchen Sie einen Krankenwagen, Miss Flavia? Wir schicken nicht gleich jedes Mal einen Inspektor los, es sei denn, die Todesumstände sind irgendwie verdächtig. Warten Sie, ich hole rasch einen Stift …«
Eine unerträglich lange Pause entstand, und ich durfte ihm zuhören, wie er auf seinem Schreibtisch herumfuhrwerkte. Dann konnte es endlich weitergehen:
»So, jetzt. Geben Sie mir bitte als Erstes den Namen des Verstorbenen durch, langsam und deutlich, und den Nachnamen zuerst.«
»Ich weiß nicht, wie der Betreffende heißt«, entgegnete ich. »Ich kenne ihn nämlich nicht.«
Ersteres entsprach der Wahrheit: Wie er hieß, wusste ich nicht. Aber ich wusste sehr wohl, und zwar nur allzu gut, dass der Tote im Garten - der Tote mit den roten Haaren, der Tote im grauen Anzug - derselbe Mann war, den ich durchs Schlüsselloch im Arbeitszimmer meines Vaters gesehen hatte. Der Mann, den Vater …
Aber das konnte ich der Polizei ja schlecht verraten.
»Ich weiß nicht, wie er heißt«, wiederholte ich. »Ich habe ihn noch nie im Leben gesehen.«
Damit hatte ich die Grenze überschritten.
Mrs Mullet und die Polizei trafen gleichzeitig ein, sie zu Fuß aus dem Dorf, die Polizisten in einer blauen Vauxhall-Limousine. Als der Wagen knirschend auf dem Kies zum Stehen gekommen war, öffnete sich knarrend der Wagenschlag, und ein Mann stieg aus.
»Miss de Luce!«, begrüßte er mich, als könnte er mich allein durch die Nennung meines Namens gefügig machen. »Darf ich Flavia zu dir sagen?«
Ich nickte.
»Ich bin Inspektor Hewitt. Ist dein Vater zu Hause?«
Der Inspektor war ein durchaus gut aussehender Mann mit
welligem Haar, grauen Augen und einem Anflug von Bulldogge, womit er mich an Douglas Bader, den berühmten Kampfflieger erinnerte, dessen Fotos ich in alten Ausgaben von Illustrierte Geschichte des Krieges gesehen hatte, die in Stapeln wie weiße Schneewehen im Salon lagerten.
»Schon«, antwortete ich, »aber er ist gerade indisponiert.« Das Wort hatte ich mir von Ophelia ausgeliehen. »Aber ich kann Sie auch zu der Leiche hinführen.«
Mrs Mullet fiel die Kinnlade herunter, und die Augen wollten ihr schier aus dem Kopf treten.
»Ach du Heiliger! Entschuldige vielmals, Miss Flavia, aber … ach du Heiliger!«
Hätte sie eine Schürze umgehabt, hätte sie sich selbige über den Kopf gezogen und die Beine in die Hand genommen. Da sie keine Schürze trug, wankte sie durch die offene Tür ins Haus.
Nun kletterten zwei Männer in blauen Anzügen umständlich aus dem Polizeiwagen, die bislang, als hätten sie auf nähere Anweisungen gewartet, auf der Rückbank sitzen geblieben waren.
»Detective Sergeant Woolmer und Detective Sergeant Graves«, stellte Inspektor Hewitt die beiden vor. Sergeant Woolmer war ungeschlacht und vierschrötig und hatte eine eingedrückte Nase wie ein Preisboxer, Sergeant Graves war ein munteres blondes Männlein mit Grübchen, das mich angrinste, als es mir die Hand schüttelte.
»Wenn du jetzt so nett wärst …«, sagte Inspektor Hewitt.
Die Detective
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