Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet - The Sweetness at the Bottom of the Pie
zurückgekommen, um sie zu holen?
2. Da er bereits in der Nacht davor auf Buckshaw gewesen war, kannte er den Weg über die Felder und vermied es so, gesehen zu werden (siehe Punkt 1 oben).
Was, wenn Pemberton am Freitag, am Abend vor dem Mord, Bonepenny von Bishop’s Lacey nach Buckshaw gefolgt war in
der Annahme, dass dieser die Rächer von Ulster bei sich hatte, und ihn dann ermordet hatte?
Langsam, Flave, dachte ich. Immer mit der Ruhe. Nicht gleich so davongaloppieren.
Warum sollte Pemberton seinem Opfer nicht einfach irgendwo hinter einer Hecke auflauern? In diesem Teil Englands wurde doch jede kleine Landstraße von einer Hecke gesäumt.
Die Antwort eröffnete sich mir, als leuchtete sie mitten auf dem Piccadilly Circus in grellroter Neonschrift: weil er das Verbrechen Vater in die Schuhe schieben wollte!
Bonepenny musste auf Buckshaw ermordet werden!
Aber natürlich! Da Vater buchstäblich ein Einsiedler war, musste Pemberton nicht befürchten, dass er irgendwann einmal nicht zu Hause sein würde. Morde, zumindest jene, in denen der Mörder der Gerechtigkeit zu entkommen hofft, mussten im Voraus geplant werden, oft genug bis ins kleinste Detail. Es lag auf der Hand, dass man ein philatelistisches Verbrechen auf einen Briefmarkensammler zurückführen würde. Da Vater aller Voraussicht nach nicht zum Tatort kommen würde, musste man den Tatort eben zu Vater bringen.
Und genau so war es geschehen.
Obwohl ich diese Ereigniskette bereits vor Stunden formuliert hatte - zumindest einige ihrer Glieder -, war ich erst jetzt, da ich gezwungen war, mit Flavia de Luce allein zu sein, in der Lage, sämtliche Puzzlestücke zusammenzufügen.
Ich bin stolz auf dich, Flavia! Auch Marie Anne Paulze Lavoisier wäre stolz auf dich!
Also: Pemberton war Bonepenny natürlich bis nach Doddingsley gefolgt, vielleicht sogar schon von Stavanger aus. Vater hatte beide erst vor einem Monaten bei der Ausstellung in London gesehen, was ein Beweis dafür war, dass keiner von beiden sich ständig im Ausland aufhielt.
Womöglich hatten sie gemeinsam ausgeheckt, Vater zu erpressen. Genau wie sie den Mord an Mr Twining geplant hatten.
Aber Pemberton hatte sich noch einen ganz eigenen, zusätzlichen Plan ausgedacht.
Sobald er wusste, dass Bonepenny nach Bishop’s Lacey unterwegs war (wo sollte er auch sonst hin?), war Pemberton in Doddingsley aus dem Zug gestiegen und hatte sich dort im Fröhlichen Kutscher einquartiert. Das wusste ich mit Sicherheit. Am Mordabend brauchte er dann nur über die Felder und Weiden nach Bishop’s Lacey zu spazieren.
Dort hatte er gewartet, bis er Bonepenny das Wirtshaus verlassen und zu Fuß nach Buckshaw gehen sah. Nachdem Bonepenny weg war und keinen Verdacht hegte, dass er verfolgt worden war, hatte Pemberton das Zimmer im Dreizehn Erpel, inklusive Bonepennys Gepäck, durchsucht und nichts gefunden. Natürlich hatte er nicht, so wie ich, daran gedacht, die Aufkleber aufzuschlitzen.
Inzwischen musste er stinkwütend gewesen sein.
Er hatte sich ungesehen aus dem Wirtshaus davongestohlen (höchstwahrscheinlich über die steile Hintertreppe) und sein Opfer zu Fuß nach Buckshaw verfolgt, wo sie in unserem Garten aneinandergeraten sein mussten. Ich fragte mich nur, warum ich sie dort nicht gehört hatte.
Eine halbe Stunde später hatte er Bonepenny, in der Annahme, dass er tot sei, dort liegen lassen, nachdem er dessen Taschen und Börse durchsucht hatte. Abermals Fehlanzeige: Bonepenny hatte die Briefmarken auch nicht bei sich.
Nach getaner Tat war Pemberton einfach in die Nacht davongegangen, über die Felder zum Fröhlichen Kutscher nach Doddingsley. Am darauffolgenden Morgen war er mit großem Trara in einem Taxi vor dem Dreizehn Erpel vorgefahren und hatte so getan, als sei er gerade mit dem Zug aus London gekommen. Er musste das Zimmer noch einmal durchsuchen. Das war zwar riskant, aber unumgänglich, denn die Briefmarken mussten sich immer noch dort befinden.
Das eine oder andere dieser Folge von Ereignissen hatte ich
bereits seit geraumer Zeit so vermutet, und obwohl ich die verbliebenen Fakten noch nicht zusammengefügt hatte, war mir Pembertons Anwesenheit in Doddingsley doch bereits durch mein Telefonat mit Mr Cleaver, dem Wirt des Fröhlichen Kutschers, bestätigt worden.
Rückblickend erschien alles ganz einfach.
Ich hörte für einen Moment auf nachzudenken und lauschte meinem Atem. Er ging langsam und regelmäßig. Ich hatte immer noch den Kopf auf die Knie gelegt, die ein
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