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Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet - The Sweetness at the Bottom of the Pie

Titel: Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet - The Sweetness at the Bottom of the Pie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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ihm benannten Imbiss erfunden hatte: nämlich als er zum ersten Mal ein Stück kaltes Brathuhn zwischen zwei Brotscheiben packte, während er mit Cornelius de Luce Cribbage spielte.
    »Zum Teufel mit der historischen Überlieferung«, hatte Vater gesagt.
    Ich war durch das kaum kniehohe Wasser zu der Insel hinübergewatet und hockte nun mit bis zum Kinn hochgezogenen Knien auf den Stufen des Tempelchens.
    Zuallererst gab es Mrs Mullets Schmandkuchen zu bedenken. Wo war der geblieben?
    Ich rief mir noch einmal den frühen Samstagmorgen in Erinnerung, sah mich die Treppe herunterkommen, durch die
Diele in die Küche gehen und - ja, der Kuchen hatte ganz bestimmt auf dem Fensterbrett gestanden. Und jemand hatte sich ein Stück herausgeschnitten.
    Später hatte mich Mrs Mullet dann gefragt, wie mir der Kuchen geschmeckt habe. Warum ausgerechnet mich? Warum nicht Feely oder Daffy?
    Da traf es mich wie ein Donnerschlag! Der Tote hatte das Stück Kuchen gegessen. Endlich ergab das Ganze einen Sinn!
    Wir hatten es mit einem Diabetiker zu tun, der eine lange Reise aus Norwegen hinter sich und eine in eine Pastete eingebackene Zwergschnepfe ins Land geschmuggelt hatte. Die Reste dieser Pastete hatte ich mitsamt der verräterischen Feder im Dreizehn Erpel entdeckt, der tote Vogel selbst hatte vor unserer Tür gelegen. Ohne etwas im Magen - obwohl er, Tully Stoker zufolge, in der Schankstube ein Bier getrunken hatte - hatte sich der Fremde am Freitagabend auf den Weg nach Buckshaw gemacht und das Haus nach der Auseinandersetzung mit Vater durch die Küche verlassen, wobei er unterwegs ein Stück von Mrs Mullets Schmandkuchen stibitzt hatte. Und noch vor dem Ende des Gurkenbeetes hatte ihn dieses Stück Kuchen niedergestreckt!
    Was für ein Gift wirkte derart schnell? Ich ging die gebräuchlichsten durch. Zyankali wirkte innerhalb von Minuten, das Opfer wurde erst blau im Gesicht und erstickte dann rasch. Zurück blieb ein feiner Mandelgeruch. Gegen Zyankali sprach allerdings, dass das Opfer längst hätte tot gewesen sein müssen, als ich es entdeckte. (Ich muss zugeben, ich habe ein gewisses Faible für Zyankali - es wirkt nun mal am allerschnellsten. Wenn Gifte Pferde wären, würde ich immer auf Zyankali setzen.)
    Hatte der letzte Atemzug des Mannes nach Bittermandel gerochen? Ich konnte mich nicht entsinnen.
    Dann gab es noch Kurare. Das wirkte ebenfalls beinahe sofort, und auch davon erstickte das Opfer im Nu. Aber Kurare
wirkte in Nahrungsmitteln nicht tödlich, es musste in die Blutbahn gelangen. Abgesehen davon - wer außer mir hatte hier draußen auf dem Lande schon Kurare in seinem Arsenal?
    Wie wäre es mit Tabak? Mir fiel ein, dass man eine Handvoll Tabakblätter, die man in einem Wasserkrug mehrere Tage in der Sonne weichen ließ, zu einem zähen, schwarzen, sirupartigen Harz eindampfen konnte, das innerhalb von Sekunden tödlich wirkte. Aber Nicoteana wuchs in Amerika. In England oder in diesem Falle in Norwegen ließen sich schwerlich frische Blätter auftreiben.
    Frage: Ergeben zerkrümelte Zigarettenkippen, Zigarren oder Pfeifentabak ein genauso tödliches Gift?
    Da auf Buckshaw niemand rauchte, musste ich mir wohl anderswo Proben beschaffen.
    Frage: Wann (und wohin) werden die Aschenbecher im Dreizehn Erpel geleert?
    Die eigentliche Frage lautete: Wer hatte den Kuchen vergiftet? Beziehungsweise: Wenn der Mann aus dem Gurkenbeet nur zufällig ein Stück davon gegessen hatte, wem war das Gift ursprünglich zugedacht gewesen?
    Ich erschauerte, als ein Schatten über die Insel glitt. Als ich zum Himmel schaute, sah ich, dass sich eine dunkle Wolke vor die Sonne geschoben hatte. Bald würde es regnen.
    Noch ehe ich aufspringen konnte, kam es auch schon wie aus Kübeln herunter - einer jener überraschenden Gewitterschauer im frühen Juni, die Blumen zerdrücken können und alle Regenrinnen überquellen lassen. Ich stellte mich genau in die Mitte des Pavillons unter die Kuppel, in der Hoffnung, mich dort vor dem Geprassel schützen zu können und halbwegs trocken zu bleiben - fror aber trotzdem wie ein Schneider, denn ein kräftiger Wind wehte zwischen den Säulen hindurch. Um mich ein wenig zu wärmen, schlang ich die Arme um mich. In so einem Fall, dachte ich, wartet man am besten ab, bis es vorüber ist.

    »Hallo? Alles in Ordnung?«
    Am gegenüberliegenden Seeufer stand ein Mann und schaute zu mir herüber. Durch die Regenschleier sah ich ihn als lauter verschwommene Tupfen, wie eine Figur auf einem

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