Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet - The Sweetness at the Bottom of the Pie

Titel: Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet - The Sweetness at the Bottom of the Pie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
Vom Netzwerk:
Zumindest in der Öffentlichkeit.
    Als ich jetzt zu Feely hinüberschielte, die mit geschlossenen Augen in der Kirchenbank kniete, die gefalteten Hände himmelwärts gerichtet, und tonlos Andachtsformeln rezitierte, musste ich mich kneifen, um nicht zu vergessen, dass ich neben einem Satansbraten saß.
    Die Gemeinde von St. Tankred hatte sich schon bald an unser unablässiges Verneigen und Niederknien gewöhnt, und wir sonnten uns in christlicher Nächstenliebe - bis auf das eine Mal, als Daffy Mr Denning, dem Organisten, schilderte, wie Harriet in uns allen die feste Überzeugung verankert hätte, dass die Geschichte von der Sintflut in der Genesis aus der gattungsgeschichtlichen Erinnerung der Familie der Katzen stamme, mit einer deutlichen Anspielung auf die Sitte, junge Kätzchen zu ertränken.
    Das hatte für einen gewissen Aufruhr gesorgt, aber auch hier war es Vater gelungen, die Wogen mittels einer großzügigen Spende für die Reparatur des Kirchendachs wieder zu glätten, einer Summe, die er Daffy allerdings vom Taschengeld abzog.
    »Da ich sowieso kein Taschengeld kriege«, hatte Daffy gemeint, »ist niemandem ein Schaden entstanden. Eigentlich keine schlechte Strafe.«
    Ich hörte unbewegt zu, wie die Gemeinde die allgemeine Beichte ablegte und dem Pfarrer nachsprach:

    »Wir haben Dinge nicht getan, die wir hätten tun sollen; und wir haben Dinge getan, die wir nicht hätten tun dürfen.«
    Mir kamen, leicht abgewandelt, Doggers Worte in den Sinn:
    »Es gibt Dinge, über die spricht man. Und es gibt andere Dinge, die behält man lieber für sich.«
    Ich drehte mich zu ihm um. Seine Augen waren geschlossen, seine Lippen bewegten sich. Wie bei Vater übrigens auch.
    Da es der Sonntag des Dreifaltigkeitsfestes war, kamen wir in den Genuss einer recht selten vorgetragenen Räuberpistole aus der Offenbarung, wo es um die Steine Jaspis und Sarder geht, um den Regenbogen rings um den Thron, das gläserne Meer gleich dem Kristall und die vier Tiergestalten voller Augen, außen und unangenehmerweise auch noch innen.
    Ich hatte meine eigene Ansicht zu der wahren Bedeutung dieser offensichtlich alchimistischen Anspielung, aber da ich mir die für meine Doktorarbeit aufheben wollte, behielt ich sie für mich. Und auch wenn wir de Luces nun mal in der gegnerischen Mannschaft spielten, beneidete ich die Anglikaner gelegentlich um ihr prachtvolles Gebetbuch, das Book of Common Prayer .
    Auch die Glasfenster waren prachtvoll. Über dem Altar strahlte das Licht der Morgensonne durch die drei bunten Glasfenster herein, deren Scheiben im finsteren Mittelalter von irgendwelchen halb wilden, halb sesshaften Glasmachern hergestellt worden waren. Die hatten damals am Rand des Ovenhouse Wood gehaust und gezecht, dessen arg ausgedünnte Reste Buckshaw nach Westen hin begrenzten.
    Auf dem linken Fenster sprang Jonas gerade aus dem Maul des Wals und drehte sich mit weit aufgerissenen Augen und entrüsteter Miene noch einmal nach dem Untier um. Aus der Broschüre, die am Eingang der Kirche verteilt wurde, wusste ich, dass die Schuppen des Riesenviehs durch das Aufschmelzen
von Zinn weiß geworden waren, wogegen Jonas seinen rosigen Teint Eisenoxid verdankte, was interessanterweise - zumindest fand ich diese Tatsache interessant - auch ein Gegenmittel bei Arsenvergiftung ist.
    Das rechte Fenster zeigte Jesus Christus bei der Auferstehung aus seinem Grab, während Maria Magdalena in einem roten Kleid (ebenfalls Eisenoxid oder vielleicht zerstoßenes Gold) ihm ein violettes Gewand (Manganoxid) und einen gelben Brotlaib (Chlorsilber) hinhielt.
    Man hatte die Metallsalze mit Sand und Pflanzenasche gemischt, in einem Ofen erhitzt, der so heiß war, dass es sich sogar Schadrach, Meschach und Abed-Nego noch einmal überlegt hätten, und das Ganze anschließend so weit abgekühlt, bis die gewünschte Farbe erreicht war.
    Das mittlere Fenster wurde von unserem ureigenen St. Tankred beherrscht, dessen sterbliche Überreste irgendwo unter unserenFüßen in der Krypta lagen. Das Fenster zeigte ihn in der Tür der Kirche, in der wir saßen (so, wie das Gebäude aussah, ehe die Viktorianer es ›verschönerten‹), und er heißt eine vielköpfige Gemeinde mit offenen Armen willkommen. St. Tankred hat ein freundliches Gesicht, wie jemand, den man bedenkenlos zu sich nach Hause einladen würde, um sonntagnachmittags gemütlich in alten Ausgaben der Illustrated London News oder vielleicht auch von Country Life zu blättern, und da wir

Weitere Kostenlose Bücher