Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet - The Sweetness at the Bottom of the Pie
sich Colonel de Luce irgendwann später mit mir in Verbindung setzen möchte, ich bin im Dreizehn Erpel in Bishop’s Lacey abgestiegen. Mr Stoker leitet die Nachricht sicherlich gerne an mich weiter.«
Ich nahm den Umhang ab und gab ihn ihm zurück.
»Vielen Dank«, sagte ich, »aber jetzt muss ich wieder nach Hause.«
Wir wateten durch den See zurück wie zwei Strandurlauber am Meer.
»Es hat mich sehr gefreut, dich kennenzulernen, Flavia«, verabschiedete sich Mr Pemberton. »Bestimmt werden wir irgendwann noch richtig gute Freunde.«
Ich sah ihm nach, wie er in Richtung Kastanienallee davonschlenderte, bis er außer Sichtweite war.
11
I ch entdeckte Daffy in der Bibliothek, wo sie ganz oben auf der Rollleiter hockte.
»Wo ist Vater?«, fragte ich.
Sie blätterte um und las weiter, als wäre ich niemals geboren worden.
»Daffy?«
Mein innerer Kessel fing an zu kochen, jener brodelnde Kessel mit diesem okkulten Gebräu, das Flavia die Unsichtbare im Handumdrehen in Flavia den Teufelsbraten verwandeln konnte.
Ich rüttelte einmal kräftig an der Leiter, verpasste ihr einen tüchtigen Stoß und schob los. Hatte man das Ding erst einmal in Gang gesetzt, ließ es sich mühelos weiterrollen, und Daffy klammerte sich oben fest wie eine gelähmte Napfschnecke.
»Lass den Quatsch, Flavia! Hör auf!«
Als der Türrahmen bedenklich schnell näher kam, bremste ich jäh, lief um die Leiter herum und schob sie in die entgegengesetzte Richtung; die ganze Zeit schaukelte und schlingerte Daffy auf der obersten Sprosse wie ein Walfänger in seinem Mastkorb im Nordatlantik.
»Wo ist Vater?«, rief ich.
»Der ist immer noch mit dem Inspektor in seinem Arbeitszimmer. Hör endlich auf!«
Da sie schon ein bisschen blass um die Kiemen war, ließ ich mich erweichen.
Daffy stieg zitternd von der Leiter und betrat vorsichtig
festen Boden. Ich glaubte schon, sie wollte sich auf mich stürzen, aber sie schien ungewöhnlich lange zu brauchen, bis sie wieder einigermaßen gerade stehen konnte.
»Manchmal machst du mir richtig Angst«, sagte sie.
Ich wollte schon erwidern, dass ich mir gelegentlich selbst Angst machte, da fiel mir ein, dass Schweigen manchmal vernichtender ist als viele Worte, und ich biss mir auf die Zunge.
In Daffys Augen war immer noch das Weiße zu sehen wie bei einem durchgehenden Zugpferd, und ich beschloss, die Gelegenheit zu nutzen.
»Wo wohnt Miss Mountjoy?«
Daffy sah mich verständnislos an.
»Miss Oberbibliothekarin Mountjoy!«
»Keine Ahnung. Ich war noch ein Kind, als ich zum letzten Mal in der Dorfbücherei war.«
Sie sah mich mit immer noch weit aufgerissenen Augen über ihre Brille an.
»Ich wollte mich mal bei Miss Mountjoy erkundigen, wie man eigentlich Bibliothekarin wird.«
Eine großartige Lüge. Daffys Miene zeigte einen Anflug von Anerkennung.
»Ich weiß nicht, wo sie wohnt«, erwiderte sie. »Frag mal Miss Cool aus der Konditorei. Die weiß, was unter jedem Bett in Bishop’s Lacey liegt.«
Damit ließ sie sich in einen Ohrensessel fallen. »Danke, Daff«, sagte ich, »bist ein Pfundskerl.«
Eine der größten Annehmlichkeiten, die das Wohnen in der Nähe eines Dorfes mit sich bringt, besteht darin, dass man nötigenfalls schnell dort ist. Ich flog auf Gladys über Land und überlegte unterwegs, dass es keine schlechte Idee wäre, ein Logbuch zu führen, so wie es Flugzeugpiloten machen. Inzwischen hatten Gladys und ich bestimmt schon etliche hundert Flugstunden zusammen, die meisten auf der Strecke nach
Bishop’s Lacey und wieder zurück. Ab und zu wagten wir uns sogar, mit einem an Gladys’ schwarzen Speichenschutz geschnallten Picknickkorb, noch weiter landeinwärts.
Einmal waren wir den ganzen Morgen durchgefahren, um ein Wirtshaus zu besichtigen, in dem im Jahre 1747 angeblich Richard Mead einmal übernachtet hatte. Richard (oder Dick, wie ich ihn manchmal zu nennen pflegte) war der Verfasser von Eine schematische Darstellung der Gifte in mehreren Aufsätzen , veröffentlicht 1702, das erste Buch über dieses Thema in englischer Sprache, von dem obendrein eine Erstausgabe der ganze Stolz meiner Chemiebibliothek war. In der Porträtgalerie in meinem Schlafzimmer hatte ich ein Bild von ihm an meinen Spiegel geklemmt. Dort befand er sich in bester Gesellschaft von Henry Cavendish, Robert Bunsen und Carl Wilhelm Scheele, wogegen Daffy und Feely ihre Spiegel mit Pin-ups von Charles Dickens beziehungsweise Mario Lanza verzierten.
Die Konditorei auf der Dorfstraße
Weitere Kostenlose Bücher