Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet - The Sweetness at the Bottom of the Pie
dieser schreckliche Vorfall bei euch zu Hause zu schaffen?«
Sie hatte also auch schon davon gehört.
»Hoffentlich warst du so vernünftig und hast dich von … von … na ja, hast dich davon ferngehalten.«
»Aber gewiss doch, Miss Cool«, entgegnete ich mit bedauerndem Lächeln. »Aber ich darf nicht drüber sprechen. Das verstehen Sie doch bestimmt.«
Auch das war eine Lüge und zwar eine waschechte.
»Was bist du doch für ein braves Mädchen.« Sie ließ rasch den Blick über die mit Vorhängen versehenen Fenster der angrenzenden Häuserreihe schweifen, die auf den Hof hinausgingen. »Aber hier lässt sich nicht gut plaudern. Komm doch rein.«
Sie führte mich durch einen schmalen Flur, von dem auf einer Seite ihr winziges Schlafzimmer und auf der anderen ein Min i-aturwohnzimmer abging. Miss Cool war nicht nur die einzige Konditorin von Bishop’s Lacey, sondern auch die Postamtsvorsteherin, und als solche wusste sie alles, was es so zu wissen gab - nur mit Chemie kannte sie sich natürlich nicht aus.
Sie musterte mich eindringlich, während ich meinerseits die vielen Regale ins Auge nahm, auf denen ein Glas neben dem anderen stand, bis zum Rand voll mit Karamellstangen, Drops und Liebesperlen gefüllt.
»Tut mir furchtbar leid, aber sonntags darf ich dir nichts verkaufen, sonst komm ich noch vor Gericht. Das ist nämlich streng verboten.«
Ich schüttelte bekümmert den Kopf.
»Entschuldigen Sie, ich habe gar nicht dran gedacht, welchen Tag wir heute haben. Ich wollte Sie nicht erschrecken.«
»Na, so schlimm war’s ja auch wieder nicht.« Mit einem Mal fand sie ihre Geschwätzigkeit wieder, lief geschäftig im Laden hin und her und griff zerstreut nach diesem und jenem.
»Bestell doch deinem Vater, dass bald ein neuer Satz Briefmarken herauskommt. Nichts direkt Umwerfendes, jedenfalls meiner Meinung nach, halt wieder das gleiche Bild von unserem König Georg, Gott segne ihn, nur ein bisschen aufgepeppt: lauter neue Farben.«
»Das ist nett, Miss Cool, ich werd’s ihm ganz bestimmt ausrichten.«
»Die dort im Londoner Postministerium könnten sich ruhig mal was Pfiffigeres einfallen lassen«, fuhr sie fort, »aber soweit ich gehört habe, heben sie sich ihr Gehirnschmalz für nächstes Jahr auf, wenn das Festival of Britain gefeiert werden soll.«
»Können Sie mir vielleicht sagen, wo Miss Mountjoy wohnt?«, unterbrach ich sie.
»Tilda Mountjoy?« Sie klang sofort argwöhnisch. »Was willst du denn von der?«
»Sie war neulich in der Bücherei so hilfsbereit zu mir, da wollte ich ihr als Dankeschön etwas zum Naschen vorbeibringen.«
Passend zur Lüge lächelte ich besonders süßlich.
Dabei war es eine schamlose Lüge. Bis gerade eben war ich gar nicht auf einen solchen Gedanken gekommen, aber jetzt begriff ich, dass ich damit vielleicht zwei Fliegen mit einer Klappe erledigen konnte.
»Stimmt, ja«, sagte Miss Cool. »Margaret Pickery ist zu ihrer Schwester nach Nether-Wolsey gefahren: Nähmaschine, Nadel, Finger, Zwillinge, trunksüchtiger Mann, unbezahlte Rechnungen … und schon kann sich Tilda Mountjoy endlich mal wieder nützlich machen … - Saure Drops«, sagte sie plötzlich und ganz unvermittelt. »Sonntag hin oder her, saure Drops sind genau das Richtige.«
»Dann nehme ich welche für Sixpence«, sagte ich.
»… und noch für einen Shilling Karamellstangen«, setzte ich hinzu. Karamellstangen waren mein heimliches Laster.
Miss Cool ging auf Zehenspitzen nach vorn in den Laden und zog die Jalousien herunter.
»Das bleibt aber unter uns!«, raunte sie verschwörerisch.
Dann löffelte sie die sauren Drops in eine violette Papiertüte, deren Farbe derart an Beerdigungen erinnerte, dass sie förmlich danach schrie, mit einem oder zwei Schuss Arsen oder nux vomica abgefüllt zu werden.
»Macht einen Shilling Sixpence.« Sie wickelte die Karamellstangen in Papier. Ich gab ihr zwei Shilling, und als sie in ihren Taschen kramte, sagte ich: »Ist schon gut, Miss Cool, behalten Sie das Wechselgeld.«
Sie strahlte. »Was bist du doch für ein liebes Kind!« Dann steckte sie noch eine Karamellstange dazu. »Wenn ich selbst Kinder hätte, könnte ich mich glücklich schätzen, wenn sie auch nur halb so aufmerksam und großzügig wären wie du.«
Als sie mir den Weg zu Miss Mountjoys Haus beschrieb, gönnte ich ihr ein halbes Lächeln und hob die andere Hälfte für mich auf.
»Die Weidenvilla. Nicht zu verfehlen. Ein orangefarbenes Haus.«
Die Weidenvilla war tatsächlich
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