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Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet - The Sweetness at the Bottom of the Pie

Titel: Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet - The Sweetness at the Bottom of the Pie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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wurde, fiel ein Briefumschlag, der dahinter geklemmt worden war, auf den Boden. Wie du wahrscheinlich schon erraten hast, war es Dr. Kissings Großvater, der ›Glöckner‹, der ihn entdeckte, als er das Büro ausfegen sollte. Da der alte Bacon tot war, fand er nichts dabei, die leuchtend orangefarbene Marke, die in dem Umschlag steckte, seinem dreijährigen Enkel zum Spielen mit nach Hause zu nehmen.«
    Ich spürte, wie mir das Blut in die Wangen schoss. Hoffentlich war Vater so in seine Erzählung vertieft, dass er es
nicht merkte. Wie hätte ich ihm auch, ohne alles noch viel schlimmer zu machen, als es ohnehin schon war, erklären können, dass die Rächer von Ulster, sowohl die »A A« als auch die »TL«, in diesem Moment gemeinsam in meiner Tasche steckten?

17
    E inerseits juckte es mich in den Fingern, die vermaledeiten Marken herauszuholen und Vater in die Hand zu drücken, aber Inspektor Hewitt hatte mich bei der Ehre gepackt. Ich konnte Vater nicht etwas überlassen, das womöglich gestohlen war und ihn noch mehr hätte belasten können.
    Zum Glück merkte Vater nichts. Nicht einmal ein weiterer Blitz, gefolgt von lautem Krachen und ausgiebigem Donnergrollen konnte ihn in die Gegenwart zurückholen.
    »Der Rächer mit dem TL wurde natürlich der Grundstein zu Dr. Kissings Sammlung«, fuhr er fort. »Es war allgemein bekannt, dass es nur noch zwei Exemplare dieser Marke gab. Die andere mit der Kennzeichnung AA war nach Königin Viktorias Tod auf ihren Sohn Edward VII. und nach dessen Tod auf seinen Sohn Georg V. übergegangen, in dessen Sammlung sie bis 1925 verblieb, bis sie am helllichten Tag auf einer Briefmarkenausstellung gestohlen wurde. Sie ist bis heute nicht mehr aufgetaucht.«
    Ha!, dachte ich. Laut fragte ich jedoch: »Und was wurde aus der T L?«
    »Die wurde ja, wie wir gehört haben, im Safe des Rektors von Greyminster verwahrt. Dr. Kissing holte sie ab und zu heraus, um sich, wie er uns einmal anvertraute, ›diebisch daran zu erfreuen, aber auch, um mich an meine bescheidenen Anfänge zu erinnern, für den Fall, dass ich die Neigung entwickeln sollte, mich für etwas Besseres zu halten.‹
    Anderen Leuten zeigte er seinen Rächer von Ulster nur
sehr selten, höchstens einigen der seriösesten Briefmarkensammler. Angeblich hatte ihm sogar der König einmal angeboten, die Marke zu kaufen, aber das hatte Dr. Kissing höflich, aber bestimmt abgelehnt. Nach diesem Misserfolg erbat sich der König durch seinen Privatsekretär die Gelegenheit, ›dieses marmeladenfarbene Wunder‹, wie er sich ausdrückte, wenigstens einmal in Augenschein zu nehmen. Damit war Dr. Kissing einverstanden, und so kam es, dass seine Königliche Hoheit eines Abends nach Einbruch der Dunkelheit Greyminster einen Besuch abstattete. Es wäre natürlich interessant zu wissen, ob er damals seine ›A A‹ mitbrachte, um die beiden berühmten Marken, wenn auch nur für ein paar Stunden, wiederzuvereinen. Aber das wird höchstwahrscheinlich eines der großen Geheimnisse der Philatelie bleiben.«
    Ich legte die Hand auf meine Tasche. Meine Fingerkuppen kribbelten, als das Papier leise knisterte.
    »Unser alter Hausleiter, Mr Twining, konnte sich gut daran erinnern und wusste noch, dass im Arbeitszimmer des Rektors in jener Winternacht noch lange Licht gebrannt hatte.
    Womit ich wieder bei Horace Bonepenny wäre.«
    Ich hörte es Vaters Stimme deutlich an, dass er sich wieder seiner eigenen Vergangenheit zuwandte, und vor Aufregung lief es mir eiskalt den Rücken hinunter. Endlich würde ich die Wahrheit erfahren.
    »Unterdessen war aus Bony nicht nur ein gewiefter Zauberkünstler, sondern ein ehrgeiziger, vorlauter junger Mann mit unverfrorenem Auftreten geworden, der seinen Willen meistens durchsetzte, indem er schlicht seine Ellenbogen skrupelloser benutzte als seine Mitschüler.
    Neben dem Taschengeld, das er von den Anwälten seines Vaters erhielt, verdiente er sich eine schöne Stange Geld dazu, indem er in und um Greyminster als Zauberer auftrat, anfangs bei Kindergeburtstagen, später dann, als sein Selbstvertrauen
gewachsen war, bei geselligen Herrenabenden und politischen Zusammenkünften. Er hatte Bob Stanley zu seinem einzigen Assistenten erkoren, und es wurde allgemein gemunkelt, dass ihre Nummern immer extravaganter würden.
    Ich selbst hatte damals außerhalb des Unterrichts wenig mit ihm zu tun. Da er aufgrund seiner Begabung unserem Magischen Zirkel längst entwachsen war, nahm er nicht mehr daran teil und

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