Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag
repariert.«
»Klingt gut«, erwiderte Rupert. Nialla nickte, obwohl die Frage nicht an sie gerichtet war.
»Also Samstag. Cynthia kann auf dem Hektographen Handzettel anfertigen und gleich morgen in den Läden und Geschäften auslegen … und ein paar an strategischen Punkten aufhängen. Für so was ist Cynthia immer zu haben.«
Wenn man Cynthia Richardson beschreiben wollte, käme einem ein Ausdruck wie »dafür ist sie immer zu haben« als Allerletztes in den Sinn. »Spielverderberin« oder »Ungeheuer« hätte sich eher angeboten.
Schließlich war es ebenjene Cynthia mit ihrem Rattengesicht gewesen, die mich einmal dabei erwischt hatte, wie ich auf Zehenspitzen auf dem Altar von St. Tankred balancierte und mit Vaters Rasiermesser eine Probe von blauem Smalte von einem mittelalterlichen Buntglasfenster kratzte. Smalte ist ein unreines basisches arsensaures Kobaltoxydul, das durch Erhitzen gewonnen wird. Es wurde im Mittelalter von den Glasmalern verwendet, und ich war ganz versessen darauf, den Stoff in meinem Labor zu analysieren, weil ich herausfinden wollte, inwieweit es den Herstellern gelungen war, das Eisen herauszulösen.
Cynthia hatte mich gepackt, übers Knie gelegt und mir an Ort und Stelle eine Tracht Prügel verpasst, wofür sie ein Exemplar
der gerade in Reichweite liegenden Volksausgabe von Alte und neue Lobpreisungen, wie ich fand, ausgesprochen zweckentfremdete.
»Was du da angestellt hast, Flavia«, hatte Vater gesagt, als ich ihm von dieser Gewalttat berichtete, »verdient nun wirklich keinen Applaus. Du hast eine völlig intakte Hohlschliffklinge von Thiers-Issard ruiniert.«
Trotzdem muss ich zugeben, dass Cynthia hervorragend organisieren konnte - allerdings konnten das die peitschenschwingenden Aufseher, die den Bau der Pyramiden überwacht hatten, auch. Falls es jemand schaffte, Bishop’s Lacey innerhalb von drei Tagen von einem Ende zum anderen mit Handzetteln zu bepflastern, dann war das Cynthia Richardson.
»Moment mal!«, rief der Vikar. »Ich habe eine Eingebung! Sagen Sie mir, was Sie davon halten. Warum statt einer Vorstellung nicht gleich zwei anbieten? Natürlich bin ich kein Fachmann, was die Kunst des Marionettenspiels betrifft, und weiß nicht genau, was in diesem Rahmen möglich ist und was nicht, aber warum setzen wir nicht am Samstagnachmittag eine Vorstellung für die Kinder an und eine zweite am Samstagabend, wenn die meisten Erwachsenen Zeit haben?«
Rupert antwortete nicht gleich, sondern rieb sich nachdenklich das Kinn. Sogar ich begriff, dass zwei Vorstellungen die Einnahmen verdoppeln würden.
»Tja …«, sagte er schließlich. »Das müsste dann aber wohl zweimal das gleiche Programm sein …«
»Wunderbar!«, sagte der Vikar. »Was haben Sie uns denn mitgebracht …? Was für ein Programm, meine ich.«
»Wir eröffnen mit einem kurzen Musikstück. Ich habe es erst kürzlich ausgearbeitet. Wir haben es noch nie aufgeführt; es wäre eine gute Gelegenheit, es vor Publikum auszuprobieren. Dann folgt das Märchen Jack und die Bohnenranke. Das kommt immer gut an, und zwar bei Kindern und Erwachsenen. Ein Klassiker.«
»Großartig!« Der Vikar zog ein zusammengefaltetes Blatt Papier und einen Bleistiftstummel aus seinem Gewand und schrieb sich etwas auf.
»Wie finden Sie das?«, fragte er nach einem schwungvollen Kringel und las mit zufriedener Miene vor, was er sich notiert hatte:
DIREKT AUS LONDON!
»Sie verzeihen mir hoffentlich die kleine Flunkerei und das Ausrufezeichen«, raunte er Nialla zu.
Porsons Puppenbühne
(unter Leitung des berühmten Fernsehstars
Rupert Porson)
Programmfolge
I. Musikalisches Vorprogramm
II. Jack und die Bohnenranke
(Ersteres ist zum ersten Mal überhaupt auf der Bühne zu se-
hen; der zweite Programmpunkt ist landauf, landab bei Jung
und Alt gleichermaßen beliebt.)
Samstag, 22. Juli, im Gemeindesaal von St. Tankred,
Bishop’s Lacey.
Vorstellungen um 14 Uhr und 17 Uhr - Beginn pünktlich!
»Sonst kommen sie so nach und nach angekleckert«, setzte er erklärend hinzu. »Cynthia kann noch eine kleine Marionette an den Rand malen. Sie ist nämlich eine überaus talentierte Künstlerin, auch wenn sie noch nicht oft Gelegenheit hatte, sich künstlerisch auszudrücken … herrje, ich schweife ab. Ich
widme mich jetzt wohl am besten meinen telefonischen Verpflichtungen.«
Damit verschwand er nach draußen.
»Komischer alter Vogel«, brummte Rupert.
»Er ist schon in Ordnung«, sagte ich. »Aber er
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