Flederzeit - Sturz in die Vergangenheit (Historischer Roman): 1 (German Edition)
Mit einem Ruck riss sie ihre rechte Hand hoch und knallte sie in sein Gesicht.
Ilya brüllte los.
Johanns Schreck ausnutzend, sprang Mila endlich um die Hausecke. Spurtete los.
„Du lechzt nach mir, das weiß ich, egal, wie sehr du dich zierst“, waberte Johanns spöttisches Gelächter hinter ihr her. „Dies ist mein allerletztes Angebot. Komm zu mir – ansonsten werde ich mir den Kleinen holen. Und dann kannst du dir aussuchen, ob du hier in deinem Schlamassel als Hure verrecken – oder bei mir deinem Jungen eine gute Mutter sein willst. Hast du das verstanden?“
Kam er ihr nach? Mila rannte. Erst einmal, ohne zu überlegen, wohin. Am Ziegenstall vorbei, am Misthaufen, den Weg zu den Höhlen hinauf. Dort war Till mit seinen Forschungen beschäftigt. Würde der ihr helfen? Bisher hatte er sich aus ihrem Leben völlig herausgehalten. Aber allein hatte sie keine Chance gegen Johann, selbst jetzt, wo ihr Körper ihr endlich wieder gehorchte.
Wenn Ilya auf ihrem Rücken nur endlich aufhörte zu brüllen. Sie lief, sie keuchte, rang nach Luft, stolperte weiter bergan – bis sie schließlich, völlig entkräftet, an der abgestorbenen Eiche angelangt war. Sich die stechenden Seiten haltend, lehnte sie sich an den sonnenwarmen Stamm. Prompt verstummte Ilya. Wahrscheinlich hatte er nur darauf gewartet, dass sie endlich aufhörte, ihn so durchzuschütteln. Reuevoll fasste sie nach seinen Füßen und streichelte sie sanft.
Johann war ihr nicht gefolgt. Sie war in Sicherheit. Vorerst. Nur vorerst. Denn die Drohung, die er ausgestoßen hatte, war keine leere gewesen, das war ihr klar.
Es war also in jedem Fall besser, Till zu suchen, als allein nach Hause zu gehen. Und immerhin hatte sie ihn bei sich aufgenommen. Da würde er doch im Gegenzug ...?
Bestimmt würde er das, immerhin kamen sie beide gut miteinander aus. Dass er gerade da war, war wirklich ein Glück! So sehr sie ihr Schicksal sonst verfluchte, heute war es von Vorteil. Mit Hilfe eines Mannes, der sie beschützte, würde sie es schaffen, Johann zu widerstehen.
Andernfalls wäre ihr nun nichts anderes übrig geblieben, als von hier zu fliehen. Irgendwo neu anzufangen. Was allein schon schwer gewesen wäre. Mit Ilya jedoch ...
Der gab einen tiefen Nachschluchzer von sich. „Till deh’n?“
„Oh ja, mein Schatz, das werden wir“, stieß Mila sich vom Baum ab. „Er ist bei den Fledermäusen, und dorthin gehen wir jetzt auch.“ Sie drückte seine Füßchen und genoss, wie er daraufhin begeistert strampelte.
„Fedamäuse“, juchzte er. „Fedamäuse deh’n!“
Vorsichtig ihre Schritte auf dem schmalen Bergpfad platzierend, ohne mit ihrem zappelnden Gepäck das Gleichgewicht zu verlieren, arbeitete Mila sich den Hang hinauf.
Die Steigung nahm zu, Mila geriet zunehmend ins Keuchen. Dort vorn zweigte der Weg zur Höhle ab. Hier wurde der Aufstieg noch anstrengender, auch wenn die Sonne mittlerweile nicht mehr ganz so hoch stand und Ilya allmählich ruhiger wurde.
Der Eingang lag versteckt in einer kleinen Schlucht, und der Pfad dorthin war zugewuchert mit allerlei Gestrüpp, sodass er nur schwer zugänglich war – vor allem mit einer ausladenden Kindertrage auf dem Rücken. Glücklicherweise war Ilya nach der Aufregung und dem anschließenden gemütlichen Geschaukel wohl eingeschlafen. Mila verrenkte den Kopf, um zu sehen, ob er einigermaßen bequem lag – als sie abrupt stehenblieb. Nur aus den Augenwinkeln hatte sie es wahrgenommen – und nun musste sie zweimal hinsehen, ihre Augen mehrfach über die Wand der Schlucht gleiten lassen, um es zu glauben: Da, wo die Höhle hätte sein sollen, waren nur noch Felsen. Graue, zerklüftete Felsen. Der Eingang, den sie suchte, war verschwunden.
Ankunft in der Flederwelt
D en ganzen Weg zum oberen Höhlenausgang rasten Milas Gedanken mit ihrem Herzen um die Wette. Was war mit Till? Er war es doch wohl nicht gewesen, der diesen Felsbrocken vor den Eingang gerollt hatte? Wäre überhaupt ein Mann allein dazu in der Lage?
Johann. Den sie ausgerechnet heute aus dieser Richtung hatte kommen sehen. Der hatte einen Helfer dabei gehabt. Das war doch kein Zufall gewesen.
Dein Freier , echote seine Stimme in ihrem Kopf. Ich biete dir ein letztes Mal an, bei mir zu leben ... Hast du das verstanden? Reichte seine Eifersucht aus, um ... Ja, zu was denn? Till in der Fledermaushöhle einzusperren? Was sollte das?
Sie stöhnte gequält auf. Immer wieder diese Höhle. Was hatte sie verbrochen, dass die sie
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