Flegeljahre am Rhein
Balduin
berichtet. Tithemi vergißt für ein paar Minuten die zertrampelten Blumen und ruft seine Mathilde an. Waldi wird gleich von Mathildens Hausgehilfin abgeholt...
Der Herr Direktor läßt unverzüglich in allen Klassen nach dem Blumenfrevler fahnden. Keiner weiß etwas. Nur Schwamm hat einen Verdacht. „Das können nur die Oberprimaner gewesen sein, Herr Direktor! Sie hatten gestern abend ihren Bierabend. Man weiß ja, wie das da zugeht!“ Tithemi stürzt in die Oberprima. Kilian gibt eben eine Geschichtsstunde.
„Wer von Ihnen hat gestern die Blumen zertrampelt?“
Blumen zertrampelt? Herr Direktor irrt sich wohl. Die Klasse bedauert. Kilian macht ein ganz dienstliches Gesicht. Aber dahinter verbirgt sich leises Lachen.
„Sie haben gestern abend Ihren Bierabend gehabt, nicht wahr?“
Dagegen ist nichts zu sagen.
„Danach sind Sie noch durch die Stadt gegangen, nicht wahr?“
Wie sollte man auch sonst nach Hause gekommen sein? Vielleicht über die Dächer, wie?
„Leugnen Sie nicht! Sie sind danach — einige von Ihnen — am Gymnasium vorbeigezogen und haben mutwillig die Blumen zerstört, vielleicht unter dem Einfluß des Alkohols ..
Dann gibt es also mildernde Umstände.
„Ich bitte die Täter, sich auf der Stelle zu melden!“ Tithemi nimmt eine drohende Haltung an. „Na, wird das bald? Nun stehen Sie doch schon auf!“ Krischan meldet sich:
„Herr Direktor, von der Klasse ist es keiner gewesen. Wir geben Ihnen unser Wort!“
„Leugnen Sie nicht. Ich frage die Klasse zum letztenmal, wer von Ihnen die Blumen mutwillig vernichtet hat.“
Ruhe. Kilian tut einen bedäditigen Schritt. Tithemi wird noch drohender in seiner Haltung. Civilis erhebt sich.
„Gestatten Sie, Herr Direktor...“
Tithemi horcht auf. Kilian sieht mit Bangen auf Civilis. Sollte doch wieder einer seiner Klasse die Hand im Spiele haben?
„Gestatten Sie, Herr Direktor, aber es ist leider so: Ihr Hund hat die Blumen...“
Weiter kommt er nicht.
„Was fällt Ihnen ein, Sie unverschämter Mensch! Eine unerhörte Behauptung, eine...“
Tïthemis Stimme wird etwas nervös, etwas unsicher, etwas leiser. Tithemis Haltung verliert an drohender Geste.
„...einfach lächerlich, diese Behauptung...!“ Tithemis Stimme klingt ganz geknickt ab.
„…ich finde…“
Civilis schießt seine Pointe ab:
„Ich kann es bezeugen, Herr Direktor. Jawohl, Ihr Hund, Herr Direktor, hat die Blumen zertrampelt...“
Tithemi wird ganz klein. Ein Kichern geht durch die Klasse. Kilian hat längst den ganzen Deutsch-Französischen Krieg vergessen.
„Wie... wieso können Sie... das... bezeugen...?“
Dumme Sache. Fatale Lage.
Civilis erzählt. Kurz und bündig. Sie haben es nur im Vorbeigehen gesehen, die beiden, Krischan und Civilis — jawohl, nur ganz zufällig, aber doch sehr genau.
„Dann haben Sie also auch den Hund...“
Nein, das haben sie nicht. Sie wissen von nichts. Ganz bestimmt nicht. Wirklich nicht. „Entschuldigen Sie die Störung, Herr Kollege.“ Ganz leise ist Tithemi verschwunden.
Ohne jedes Aufheben werden am Nachmittag neue Blumen gepflanzt. Ganz allein aus Tithemis Tasche wird die Rechnung bezahlt, und nie mehr fragt er nach den zertrampelten Blumen.
Sensation im Kreisblatt
Der nächste Montag, von dem Gamaschke auf dem letzten Klassenabend gesprochen hat, ist gekommen. In der ersten großen Pause, nach der Deutschstunde bei Schwamm, muß sich die Klasse an ihrem gewohnten Platz auf dem Schulhof versammeln. Unter der großen, alten Kastanie. Sie liegt ganz am Ende des Platzes, hinter der Turnhalle. Hier steht die Klasse ungestört. Hier kann sie ihre Entschlüsse fassen.
Gamaschke bitte um Ruhe. Die Eingeweihten grinsen. Sauerbrunnen kommt sich ganz wichtig vor. Krischans Gesicht hat sich auf Wurde und Bedeutung umgestellt. Bobby hat sogar im Augenblick vergessen, daß er noch seinen neuesten Witz erzählen wollte.
„Also, Kameraden, heute nachmittag versammeln wir uns alle bei Theobald. Punkt fünf Uhr ist alles zur Stelle. Und zwar im guten Anzug! Jeder muß erscheinen!“
Gamaschke darf Näheres noch nicht verraten. „Noch etwas, Kameraden! Wir brauchen dringend einen Betrag von zwölf Mark und sechzig Pfennigen. Krischan hat schon drei Mark gestiftet. In den Rest müssen wir uns teilen!“
☆
Gamaschke und Krischan haben es nach Beendigung der Unterrichtsstunden sehr eilig, in die Stadt zu kommen. Sie gehen zum „Rheinstädter Anzeiger“. Die beiden sind sehr gespannt. Gamaschke geht
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