Flegeljahre am Rhein
Schürze läßt Krischan und Gamaschke in den Flur.
Tithemi will gleich aus seinem Studierzimmer stürzen, als ihm der Besuch der beiden Oberprimaner gemeldet wird. Er ist schon an der Türe, da fällt ihm ein, daß er seine alte Joppe trägt. Ein Studiendirektor im Hausrock verliert an Würde. Gerade jetzt darf es nicht sein. Er zieht seinen Hausrock aus, schlüpft in den Zweireiher. Waldi läuft ihm entgegen. Hier, Herrchen, da ist der Bösewicht, der mich an eine fremde Tür gebunden hat! „So, Sie kommen mir gerade recht! Wissen Sie, was mit Ihnen geschieht? Sie werden von der Schule fliegen! Eine Unverschämtheit! So etwas ist überhaupt noch nicht dagewesen!“
„Verzeihung, Herr Direktor, wir wissen nicht, um was es sich handelt. Wir sind gekommen...“
„So! So! Sie wissen nicht, um was es sich handelt?
Dann werde ich es Ihnen sagen!“
Tithemi donnert.
„Verzeihen Sie, Herr Direktor, wir wissen es wirklich nicht! Wir sind gekommen, um Sie zu fragen, ob die Oberprima bei dem Festabend etwas mitwirken darf. Wir denken...“
„Sie sollen nicht denken! Eine unerhörte Schweinerei ist da im Gange! Und Sie — Sie wollen nichts davon wissen?“
Gamaschke ist nicht auf den Mund gefallen.
„Wir verstehen Sie nicht, Herr Direktor! Wir lasen eben in der Zeitung...“
„Was lasen Sie in der Zeitung? So — jaja. Sie haben wirklich keine Ahnung, was geschehen ist?“ Nein, wirklich nicht, sie haben nicht die leiseste Ahnung.
Gut, dann sollen sie auch nicht merken, in welcher Situation Tithemi sich befindet. Dann sollen sie nicht erfahren, daß e r die Anzeige nicht aufgegeben hat.
Tithemi weiß, daß nichts mehr zu retten ist, daß etwas geboten werden m u ß, daß sein Gymnasium keinen Reinfall erleben darf. Krischan und Gamaschke erscheinen ihm als die Retter aus höchster Not. Das Schicksal hat A gesagt, und Tithemi bleibt nichts anderes übrig, als B zu sagen. Der Festabend muß und wird stattfinden! „Was denken Sie? Sie wollen mitwirken?“
Tithemi wird jetzt seine Rolle durchspielen. Ihm fällt blitzartig ein, daß Balduin einfach krank sein wird. Lieber guter Tithemi, aber die Schwarze Hand hat längst schon weiter gedacht!
„Was wollen Sie denn bieten? Ich weiß, daß in Ihrer Klasse manche Talente sitzen. Also schön, ich bin damit einverstanden!“
„Wir wollen einige Überraschungen bieten, Herr Direktor. Sie können sich auf die Oberprima verlassen — ganz bestimmt, Herr Direktor!“
„Ganz gewiß, Herr Direktor!“ wiederholt Krischan.
Herr Direktor hin, Herr Direktor her — Herr Direktor ist plötzlich guter Laune. Er sieht, daß die Lage doch nicht so hoffnungslos ist, wie es schien. Er merkt zudem, daß er Hunger hat. Vor lauter Aufregung hat er bisher nichts essen können.
„Also schön, meine lieben Oberprimaner! Ich bin damit einverstanden, daß Sie heute abend nach dem Vortrag von Studienrat Lehrmann einige Proben Ihres Könnens ablegen. Sie haben es ja schon oft getan — das Gymnasium hat der jetzigen Oberprima viel zu danken!“
Oho!
Was ist denn in Tithemi gefahren?
„Danke sehr, Herr Direktor..— Krischan und Gamaschke verbeugen sich leicht. — „Das ist doch selbstverständlich, daß wir ..
Tithemi weiß schon, was Gamaschke sagen will. Es ist in Ordnung. Tithemi hat Hunger. Nun kann er ihn ja haben. Er ist eine fürchterliche Sorge los. Tithemi hat den Türgriff schon in der Hand, klopft jedem der beiden Oberprimaner, die das Unheil von ihm abgewendet haben, auf die Schulter. Guten Tag. Auf Wiedersehen.
Tithemi ißt. Tithemi hat es eilig. Tithemi hetzt zu Kilian. Jawohl, Kilian ist vom Spaziergang zurück. Er will eben die Schularbeiten seiner Kinder beaufsichtigen. Sie haben sein ganzes Zimmer belagert. Heraus jetzt mit euch! Vati muß wichtige Sachen mit dem Herrn Direktor besprechen.
Kilian ist für alles zu gebrauchen. Er wird auch zu Balduin gehen. „Gewiß, Herr Direktor, gewiß!“
Tithemi telefoniert dem Fize. Die Aula soll er schleunigst herrichten. Dienstliche Anweisung. Kilian macht sich auf den Weg zur Peterstraße 7a. Eine unangenehme Sache. Kilian geht nicht gerne. Aber er geht. Er schellt und wird in das kleine Wohnzimmer geführt. Wo die Kuckucksuhr hängt. Bitte, nehmen Sie doch Platz, Herr Studienrat! Tja, eine etwas unangenehme Angelegenheit. Kilian arbeitet langsam vor. Balduin und Emma
beginnen zu ahnen. Das Kind sitzt nebenan im Zimmer und übt lyrische Soli. Wie schön das Kind doch spielen kann!
Kilian spricht, bedauert,
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