Flegeljahre am Rhein
sich, sieht die Wurst. Sie schmeckt ihm gut... Was hat Klärchen ihm gesagt? Was hat Herzensschatz ihm vorgeschlagen?
Wenn das möglich wäre... dann... dann... brauchte ich ja...
Gupp stopft sich eine neue Pfeife, schlägt den Tacitus auf die Nase, klappt den Buchdeckel zu. Wenn es aber nicht...
Gupp schlägt den Deckel wieder auf. Er weiß selbst nicht, was er soll und was er ist, was er möchte und was er kann und was er darf und was er wird... Ach, das soll ja der Teufel holen!
Die ganze Schule soll der Teufel holen! Das ist Willis Wunsch. Willi II hat sich die Ferien ganz anders vorgestellt. Mit Musik, mit dem Geigenbogen, mit den weißen und schwarzen Tasten unter den Fingern. Nun hat ihm der Vater alles abgeschlossen. Jetzt soll er für die Schule arbeiten: er muß sich mit der Mathematik quälen, den guten Homer in die Hand und die lateinische Grammatik mit ins Bett nehmen, um gleich nach dem Erwachen die Schönheit der klassischen Sprache der Götter erneut in sich aufzunehmen. O Gott! Willi sieht ein, daß es so sein muß, aber er sieht nicht ein... Bitte, keinen Widerspruch, mein Sohn!
Gamaschke hat wieder für die Zeitung gearbeitet. Die ganze Schule „kann ihn“, bitte sehr... Aber so etwas darf man nicht in die Zeitung setzen.
Man darf überhaupt so vieles nicht — es ist ein Elend! Sauerbrunnen darf das Tanzkränzchen in seinem Heimatdorf nicht mitmachen. Er soll zunächst dafür sorgen, daß die Fußböden neu gestrichen werden. Sauerbrunnen pinselt sie, die Böden vom Wohnzimmer und von der großen Mansarde. Jetzt darf er tanzen gehen. Aber er hat keine Lust mehr. Er legt sich ins Bett und schmökert in alten Klassikern. Immer mit der Ruhe.
☆
Es wird wirklich gearbeitet. Tithemi und Kilian haben ihre Ermahnungen nicht umsonst gegeben. Die Oberprima setzt sich auf die Hinterbeine. Sie will sich einen guten Abgang verschaffen und bei den Paukern den besten Eindruck hinterlassen. Ende Januar. Die Klasse zählt die Tage bis zum Abitur. Wie lange noch? Wieviel Wochen? Noch sechs Erdkundestunden bei Balduin. Jeden Dienstag eine.
Gamas dike ruft die „Schwarze Hand“ zusammen. Auf seiner Bude soll sie sich versammeln. Krischans große Idee wird besprochen. Abends, um acht Uhr, tritt der „Sechserrat“ zusammen. Gamaschke hat einen riesigen Aschenbecher auf den Tisch seiner Bude gestellt und auch für einige Flaschen Bier gesorgt. Krischan bringt Zigaretten mit. Sauerbrunnen hat sich auf Gamaschkes Bett breitgemacht. Bobby sitzt auf der Fensterbank. Civilis hat sich auf dem Papierkorb niedergelassen. Willi II geht erwartungsvoll im Zimmer auf und ab, bleibt nur dann und wann einmal stehen, um an seinem Glas zu trinken.
Jawohl, es muß etwas getan werden. Das wird von allen anerkannt. Dem Hoi ist nicht zu trauen. Der kann mit einer ganz schweren Arbeit ankommen. Eine Prüfungsarbeit ist schließlich keine gewöhnliche Klassenarbeit, und wenn man die „verbaut“...
In Latein fühlt sich die ganze Klasse nicht recht sicher. Man muß unbedingt etwas über die Arbeit erfahren. Aber wo? Und wie? Und wann? Viel Zeit zum Überlegen ist nicht mehr da. Es muß gehandelt, es darf nicht gefaselt werden.
Krischans Vorschlag, an die Arbeit zu kommen, ist „genial“, aber gefährlich, und nur mit äußerster Frechheit zu realisieren. Der Plan geht davon aus, daß die Arbeit irgendwo bei Hoi zu Hause liegt. Auf seinem Schreibtisch, in seinem Bücherschrank, irgendwo. Wenn man sie für zehn Minuten in die Hand bekommen könnte, wäre alles gerettet.
Die Idee Krischans muß durchgeführt werden! Krischan steckt sich eine neue Zigarette ins Gesicht, wirft seine Haarmähne zurück und gestikuliert wie ein Volksredner:
„Hört mal zu, liebe Leute, die Sache ist ganz einfach! Einer von uns — wer, das muß noch entschieden werden — einer von uns muß dieses Mädchen…“
Familie Hoi hat eine Haustochter. Haustöchter sind zuweilen hübsch und liebenswert. Aber Hois „Tochter“ ist nicht hübsch. Sie ist auch nicht liebenswert. Sie ist aber frech und lustig und gar nicht abgeneigt zu einem kleinen Abenteuer. Das kann sie haben.
Eines der sechs Mitglieder der „Schwarzen Hand“ muß sich in die Haustochter verlieben. Der Auserwählte muß sie für sich gewinnen. Wenn sie ihn wiederliebt, wird es nicht schwer sein, in Hois Arbeitszimmer zu kommen. Sie wird ihn wiederlieben... Das wäre ja noch schöner.
„Jawohl, Kameraden, einer von uns muß diese filia hospitalis in seine Arme nehmen, da
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