Flehende Leidenschaft
Ländereien und das übrige Vermögen wiederzugewinnen?« Seit Jahren gewöhnt, seinen Willen durchzusetzen, war er optimistischer gewesen.
»Queensberry wird vom Hof unterstützt. Hingegen besitzen wir Wechsel von allen reichen schottischen Kaufleuten. Außerdem wickeln wir ihre Geschäfte in Europa ab und verwalten ihre Kredite. Da das Meer von französischen Freibeutern wimmelt, ist der internationale Preis für Wechsel enorm gestiegen …« Johnnie lächelte. »Mit jedem Tag steigt die Gefahr gewaltiger Pleiten.« 10
»Ja, es hat gewisse Vorteile, wenn man in Europa schottische Kaufmänner vertritt«, murmelte Robbie. Die Bankverbindungen der Carres reichten von Paris und Bordeaux bis nach London, Edinburgh, Amsterdam, Hamburg, Danzig und Stockholm.
»Vergiß nicht, daß wir auch einen Teil der schottischen Regimenter in Marlboroughs Krieg finanzieren. Coutts ist nach London geritten, um meine Position in allen Einzelheiten zu erläutern. Innerhalb eines Monats soll dem Kronrat ein dringendes Gesuch vorgelegt werden.«
»Aber der Gerichtstermin muß noch festgelegt werden«, seufzte Robbie. »Nur der Teufel weiß, wie lange das dauern mag.«
»Nicht unbedingt. Der Kronrat kann die Verhandlung einfach abblasen. Kein Prozeß, keine Verurteilung – und Quennsberry muß Goldiehouse verlassen. Bleibt nur mehr meine Rache an Godfrey …«
»Und Elizabeth?«
»Darüber habe ich noch nicht mit ihr gesprochen, und ich will es auch nicht tun. Was immer sie empfinden mag, Godfrey ist eine Gefahr für meine Familie, und deshalb muß er sterben.«
Ereignislos und angenehm verliefen die nächsten Tage. Johnnie genas zusehends, Elizabeths Niederkunft rückte näher, Roxane und Robbie erforschten die neue Wunderwelt ihrer Liebe.
An einem sonnigen Märznachmittag segelte die Trondheim in den Hafen von Leith.
Und die Gäste im Kilmarnock House trafen Reisevorbereitungen.
Es dauerte einige Zeit, bis der Kapitän der Trondheim die Zollformalitäten erledigt hatte und bis die Fracht gelöscht war. Für die Reisenden wurden ein Arzt und eine Hebamme engagiert. Johnnie fühlte sich immer noch schwach, und das Baby würde die Ankunft in Rotterdam vielleicht nicht abwarten.
Nach wie vor nahm Roxane an gesellschaftlichen Veranstaltungen teil, um keinen Verdacht zu erregen. Am Abend, bevor das Schiff auslaufen sollte, besuchte sie eine Dinnerparty, die Gräfin Sutherland gab, um die Verlobung ihrer ältesten Tochter zu feiern. Vor dem Ball, der im Anschluß an das Dinner stattfinden sollte und zu dem noch mehr Gäste erwartet wurden, verabschiedete sich Roxane.
Als sie in der Halle auf ihre Kutsche wartete, kamen Queensberry und Godfrey herein. Sie konnte ihnen unmöglich aus dem Weg gehen, und sie wagte es auch nicht. Seit Johnnies Flucht fahndete man im ganzen Land nach ihm. Deshalb durfte Roxane auf keinen Fall den Argwohn seiner Feinde wecken. Und so lächelte sie liebenswürdig.
»Sind Sie eben erst eingetroffen?« fragte Queensberry und beugte sich über ihre Hand.
»Nein, ich gehe gerade. Meine Kinder sind krank, und ich habe Jean versprochen, mit ihr zu essen.«
»Wie schade …« Plötzlich entdeckte der Herzog einen seiner Adjutanten, der mit mehreren Gästen am Fuß der Treppe stand und ihm eifrig zuwinkte. »Sicher werden wir Ihre reizende Gesellschaft vermissen. Bitte, entschuldigen Sie mich jetzt, Gräfin. Fenton scheint sich über irgend etwas aufzuregen.« Höflich verneigte er sich und ging davon.
Aber Godfrey folgte ihm nicht. Hoch aufgerichtet blieb er vor Roxane stehen, in feuerrotem Damast, der zu seinem glutvollen Blick paßte. »Seit Tagen ist es Ihnen gelungen, mir auszuweichen, Madam.«
»Keineswegs, Godfrey. Da meine Kinder krank sind, empfange ich weder Sie noch andere Besucher.« Instinktiv zog sie ihr Samtcape enger um ihre Schultern, als müßte sie sich schützen.
»Trotzdem gehen Sie gelegentlich aus. Erweisen Sie mir doch in meiner Suite die Ehre.«
»Tut mir leid.« Mit einem ausdruckslosen Lächeln ging sie über die plumpe Aufforderung hinweg. »Im Moment ist meine Zeit sehr begrenzt, und ich nehme nur die Einladungen an, die ich unter keinen Umständen ablehnen kann. Immerhin leiden alle meine fünf Kinder an Pocken. 11 Vielleicht ein andermal …«
»Hätten Sie vielleicht jetzt ein wenig Zeit für mich, Madam?« Schmerzhaft gruben sich seine Finger in ihren Oberarm.
»Also wirklich, Godfrey, solche Angriffe finde ich äußerst unangenehm. Lassen Sie mich los, oder ich muß um
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