Flehende Leidenschaft
erschien, um nach seinem Vetter zu sehen und die Ereignisse in allen Einzelheiten zu schildern.
Nachdem er seinen Bericht beendet hatte, fragte Johnnie: »Was glaubst du, wie lange die Trondheim noch hier ankern kann?«
»Heute morgen ist sie ausgelaufen. Das ganze Land und alle Küstengewässer werden nach dir abgesucht. Da sie eine verderbliche Fracht an Bord hatte, konnte sie nicht länger warten.«
»Und in acht Tagen kehrt sie aus Veere zurück.«
»Oder in zwei Wochen. Das hängt um diese Jahreszeit von den Stürmen ab.«
Johnnie grinste schwach. »Also muß ich heute morgen noch nicht aufstehen.«
»Warte lieber noch einen Tag«, scherzte Munro.
Am nächsten Morgen ließ Johnnie sich in einen Lehnstuhl helfen. Eine Zeitlang saß er auf der Bettkante, das Gesicht schmerzverzerrt, die Zähne zusammengebissen. Schweiß perlte auf seiner Stirn, als er zum Sessel wankte, von zwei Männern gestützt. Dann sank er langsam und vorsichtig in die Polsterung.
Mehrere Minuten verstrichen, ehe etwas Farbe in sein Gesicht zurückkehrte, bis er wieder normal atmen konnte. Lächelnd schaute er in die ängstlichen Gesichter, die ihn umringten. »Nur keine Bange, ich werde schon nicht zusammenbrechen. Wenigstens vorerst nicht. Würde mir mein Pflegepersonal ein Glas Wein gestatten? Das kann meiner Gesundheit sicher nicht schaden, und ich würde es dem Opium vorziehen.«
Sechs Leute eilten davon, und wenig später nippte Johnnie an einem ausgezeichneten Rotwein.
Dank seiner Jugend und kräftigen Konstitution erholte er sich sehr schnell. Roxanes fachkundiger Apotheker war eine große Hilfe. Da er öfter zu hitzköpfigen Burschen gerufen wurde, die ihre Streitigkeiten mit Schwertkämpfen austrugen, wußte er genau, welche Kräuter und Salben man verwenden mußte, um schlimme Fleischwunden zu kurieren.
Um keine Aufmerksamkeit auf das Haus zu lenken, setzte Roxane ihre gesellschaftlichen Aktivitäten fort, schränkte sie allerdings etwas ein. Auf einigen Parties traf sie den Earl von Brusisson. Sie entschuldigte sich für das abgesagte Rendezvous und erklärte, sie habe ihn nicht empfangen können, weil ihre Kinder krank geworden seien. Derzeit würde sie keine Einladungen geben.
In der Öffentlichkeit fiel es ihr nicht schwer, Godfreys Avancen abzuwehren. Sogar er mußte sich an die Gepflogenheiten aristokratischer Salons halten. Am Morgen nach Johnnies Ankunft hatte sie ihre Kinder auf einen ihrer Landsitze geschickt. Die älteren verstanden zwar, daß es notwendig war, in gewissen politischen Situationen Stillschweigen zu bewahren. Aber die jüngeren mochten in der Schule etwas ausplaudern und eine Katastrophe heraufbeschwören.
Nicht einmal sich selbst gestand sie ein, daß die Trennung von den Kindern noch einen anderen Grund hatte, die Sehnsucht nach ihrem ungestümen jungen Liebhaber, dem sie möglichst viel Zeit widmen wollte. Jeden Tag zogen sie sich für mehrere Stunden in ihr Schlafzimmer zurück. Nur zu den Mahlzeiten gingen sie in die Gästesuite der Ravensbys. Wenn sie auch nicht über ihre Gefühle sprachen, ihre Blicke und Gesten verrieten deutlich genug, wie sehr sie einander liebten.
Eines Abends, als Elizabeth bereits eingeschlafen und Roxane ausgegangen war, wartete Robbie ungeduldig auf die Rückkehr seiner Liebsten. Johnnie beobachtete, wie sein Bruder rastlos umherwanderte, und fragte: »Nimmst du Roxie nach Holland mit?«
»Nein.«
»Also ist es nichts Ernstes?« Erstaunt hob Johnnie die Brauen. Sollte er sich getäuscht haben?
Robbie blieb stehen und wandte sich zu seinem Bruder, der vor dem Kamin auf einer Chaiselongue lag. »Oh, doch. Ich sagte ihr, im Sommer würden wir zurückkehren. Wenn die ganze Familie zu uns käme, würden die Kinder zu abrupt aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen. Glaub mir, ich meine es ernst. Und erzähl mir bloß nichts von Roxies Alter!«
»Das hatte ich gar nicht vor.« Roxane war auch älter als Johnnie selbst und trotzdem eine zauberhafte Gefährtin gewesen. »Aber vielleicht können wir im Sommer noch nicht nach Schottland reisen. Es dürfte etwas länger dauern, die Angelegenheiten zu regeln.«
»Trotzdem komme ich im Sommer zurück.« Robbie schnitt eine Grimasse und ließ sich in einen Sessel fallen.
»Bist du dir deiner Gefühle für Roxie so sicher?«
»Ausgerechnet du stellst diese Frage – der Mann, der mit Harold Godfreys Tochter verheiratet ist?«
»Natürlich, verzeih mir.«
»Großer Gott, wie lange werden wir denn brauchen, um die
Weitere Kostenlose Bücher