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Fleisch essen, Tiere lieben

Titel: Fleisch essen, Tiere lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theresa Baeuerlein
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Land gezogen bin und angefangen habe, Ziegen zu halten. Es hatte etwas mit den männlichen Ziegen zu tun. Sie konnten weder Milch produzieren noch Nachwuchs gebären, also habe ich angefangen, sie zu essen.«⁶⁸
    Was für Ziegen stimmt, gilt erst recht für Kühe. Damit eine Kuh Milch produziert, muss sie Kälber gebären. Aus Kuhperspektive ist Milch ja nichts anderes als Babynahrung. Und wir verlangen unseren Kühen einiges ab. Deutschland ist der größte Milcherzeuger in der EU: Etwa 4,2 Millionen Milchkühe werden bei uns gehalten. In den letzten Jahren ging die Anzahl der Milchkühe und der Milchviehbetriebe nicht zuletzt der lächerlich niedrigen Milchpreise wegen zwar zurück – dafür wurde die Milchleistung der einzelnen Tiere weiter gesteigert. Heute geben Milchkühe in Deutschland im Durchschnitt knapp 7000 Kilogramm Milch im Jahr, bis zu 50 Liter Milch täglich. Damit dies möglich ist, müssen Milchkühe nicht nur Kraftfutter fressen, sondern auch praktisch jedes Jahr ein Kalb zur Welt bringen. Was passiert mit den Kälbern? Die weiblichen Kälber bleiben (vorerst) am Leben, damit sie später ihrerseits Milch geben können, die männlichen Kälber haben nichts zu bieten, was den Verbraucher interessiert – und werden also geschlachtet. Die Kalbs wurst in der Fleischtheke und das Stück Gouda in der Käsetheke kommen nicht aus getrennten Welten, sondern sind auf das Engste miteinander verbunden. Aber auch den weiblichen Kühen ergeht es nicht besser. Früher oder später landen sie unterm Messer. Entweder, wie ihre Brüder, schon als Kälber – denn nicht alle weiblichen Kälber werden als spätere Milchproduzenten gebraucht – oder eben etwas später.
    Erwachsene Kühe zahlen für die viele Milch, die sie täglich geben, einen hohen Preis. Euterentzündungen etwa kommen sehr häufig vor. Deshalb ist eines der Merkmale, anhand derer die Qualität von Milch geprüft wird, die Anzahl somatischer Zellen in der Flüssigkeit. Somatische Zellen sind nichts anderes als weiße Blutkörperchen, die aus dem Blut der Kuh stammen – und eine Abwehrreaktion des Organismus anzeigen. Bei einer Entzündung steigt die Zahl somatischer Zellen. Die Zellwände platzen, ihre Trümmer verklumpen. In manchen Fällen sind sie in der Milch als Eiterflocken zu sehen. ⁶⁹ Öko-Milchkühe leiden übrigens ebenso häufig an Euterentzündungen wie konventionell gehaltene Rinder, alle bekommen dagegen Antibiotika. ⁷⁰ »Moderne Milchkühe haben melkmaschinengerechte kurze Zitzen mit schwachen Ringmuskeln«, erklärt der Tierarzt Christophe Notz, der im Rahmen des Forschungsprojekts »pro-Q« zusammen mit 100 Bauernhöfen fünf Jahre lang daran arbeitete, den Antiobiotika-Einsatz im Kuhstall zu verringern. ⁷¹ Solche Euter lassen sich schneller melken, haben aber den Nachteil, dass Krankheitserreger leicht eindringen können. Euterentzündungen, Störungen des Stoffwechsels und der Fruchtbarkeit sind Gründe, weshalb die Kühe bereits mit einem durchschnittlichen Alter von 4,7 Jahren geschlachtet werden. ⁷² Alle Kühe, egal, ob sie für die Milchproduktion oder als Fleischlieferanten aufgezogen werden, landen letztlich beim Schlachter.
    Und auch das Leben vor der Schlachtbank ist keine Idylle. Immer seltener werden Milchkühe auf die Weide gelassen. Und noch immer gibt es die Anbindehaltung für Kühe. Was im Klartext bedeutet, dass Kühe, die das Pech haben, so gehalten zu werden, ihr ganzes Leben auf einem Fleck verbringen. Der Anblick dürfte selbst fanatische Latte-Trinker unter ihrem Milchbart erbleichen lassen. Ich habe jahrelang neben einem Stall gewohnt, in dem die Kühe angebunden standen. Hätte ich nicht gewusst, dass die Tiere da waren, hätte ich es vielleicht nie bemerkt. Der Stall war von den grünsten Wiesen und Feldern umgeben, die sogar mir als Menschen Appetit machten. Aber zu keiner Jahreszeit sah man Kühe dieses Grün abgrasen, weil sie schlicht das ganze Jahr über im Stall blieben. Nur der Jauchegeruch, ein Muhen hier und da und die gelegentliche Ankunft eines silberfarbenen Tanklasters mit dem Logo einer bekannten, nicht eben billigen Milchmarke erinnerte dann und wann an die Existenz der Tiere. Der Bauer selbst und seine Frau waren keine kaltherzigen Geschäftemacher, sondern nette Menschen, die in der Weihnachtszeit Plätzchenteller vorbeibrachten und die zugaben, dass sie das Schicksal ihrer Tiere trostlos fanden. Aber der niedrigen Literpreise wegen, die sie für ihre Milch bekamen,

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