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Fleisch essen, Tiere lieben

Titel: Fleisch essen, Tiere lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theresa Baeuerlein
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sagten sie, lohnte es sich einfach nicht, die Tiere nach draußen zu lassen – zu viel Aufwand, zu wenig Geld. Im Stall blieben die Kühe pflegeleichte, bewegungslos mampfende Milchriesen, deren Ketten leise rasselten. Nachdem ich das einmal aus der Nähe gesehen hatte, kaufte ich die Milch lieber im kilometerweit entfernten Bioladen als von meinen Nachbarn. Vor kurzem hat der Bauer übrigens das Milchgeschäft aufgegeben. Jetzt mästet er Tiere zum Schlachten.
    Auch in Sachen Energieaufwand und Klimaschutz tut der Milchtrinker der Welt keinen wesentlich größeren Gefallen als der Fleischesser. Nach Berechnungen der FAO erzeugt nicht nur die Rindfleisch-, sondern auch die Milchproduktion besonders viele Treibhausgase – vor allem dann, wenn die Tiere, wie bei modernen Milchkühen üblich, Getreide und Sojabohnen fressen. ⁷³ Gidon Eshels Berechnungen zufolge schneiden Eier und Milch energetisch zwar immer noch besser ab als Steaks von Kraftfutterrindern. Hier springen bei 100 in die Produktion investierten Kalorien nur 6,4 Fleischkalorien heraus. Huhn dagegen schneidet mit 18,6 Kalorien fast so gut ab wie Milch – und besser als Eier. ⁷⁴
    A propros Eier: Über 80 Prozent aller deutschen Eier werden trotz Legebatterieverbot in Käfighaltung erzeugt. Die heißt jetzt zwar euphemistisch Kleingruppenhaltung (was für mich mehr nach Kindergarten klingt als nach Hühnerstall) – geändert hat sich aber nicht viel. In der alten Käfighaltung bekam jede Henne 550 cm² Platz, also weniger als eine DIN-A4-Seite. Jetzt sind es 800 cm², die zusätzliche Fläche entspricht damit etwas mehr als der eines aufgeklappten Reisepasses. Die Entfaltungsmöglichkeiten eines Huhns sind auf diesem Platz, gelinde gesagt, noch immer eher bescheiden, Tierschützer lehnen die Kleingruppenhaltung deshalb ab.
    Das moderne Huhn legt Eier in einem Takt, die an Akkordarbeit erinnert. In der freien Natur würde ein Huhn je nach Art etwa fünf bis zehn Eier legen – und dann mit dem Brüten beginnen, bis, nach 21 Tagen, die Küken schlüpfen würden. Da die Eier nicht bei den Tieren bleiben, sondern auf dem schnellsten Weg in Omelette und Kuchen landen, entfällt die Brutpause. Die Hühner brüten überhaupt nicht, sondern legen permanent Eier. Da das eine extrem kräftezehrende Angelegenheit ist (man stelle sich vor, wenn der Vergleich auch hinkt, eine Frau müsste ständig gebären), haben diese Hühner eine entsprechend niedrige Lebenserwartung. ⁷⁵ Den männlichen Küken geht es schon kurz nach dem Schlüpfen an die flaumigen Kragen. Der britische Fernsehkoch Jamie Oliver, der ohnehin viel für Aufklärung in Sachen Lebensmittel tut, schockierte sein Publikum in der RTL-Sendung »Jamies Hühnerhölle«, indem er kurzerhand live vorführte, wie die Eierindustrie mit den männlichen Küken verfährt: Er ließ sie in einen Glaskasten sperren und mit Kohlenmonoxid ersticken. Kein perverser Quotentrick, sondern in der Industrie alltägliche Praxis. Andere Hersteller schreddern die lebendigen Küken in Geräten, die »Homegenisator« oder »Muser« heißen. Was genau das bedeutet, wonach es klingt. Anschließend verarbeitet man sie zu Tiermehl – oder zu Dünger. Wie gesagt: Pflanzen haben keine moralischen Vorurteile gegen Fleisch.
    An dieser Stelle begehrt der gesunde Menschenverstand auf. Wieso lässt man männliche Küken nicht wenigstens zu Hähnen werden, bevor man ihnen den Garaus macht? Statt Kükenmus hätte man zumindest ein paar Braten im Rohr.
    Die Lösung des Rätsels ist ebenso einfach wie unangenehm. Heutige Legehennen sind meistens Hybriden, die aus der Kreuzung von Tieren mit besonderen und reinen Merkmalen hervorgehen. Die zwei wichtigsten Merkmale – Eierzahl und Fleischansatz – lassen sich per Züchtung nicht auf einen Nenner bringen, sie sind negativ korreliert. Ein modernes Huhn ist also entweder eine fixe Eierlegehenne oder ein fleischiger Brocken, je nach Rasse. Eine moderne Hochleistungshenne legt etwa 300 Eier im Jahr, wild lebende Hühner bringen es auf 50 bis 60 Stück. ⁷⁶ Für den Produzenten lohnt es, sämtliche männlichen Küken einer Rasse, die auf effizientes Eierlegen gezüchtet wurde, wie ein Nebenprodukt zu behandeln – sie also zu töten. Und das in gewaltigem Ausmaß. Etwa jedes zweite geschlüpfte Huhn ist ein Männchen. Jedes Jahr werden laut Tierschutzbund in der EU circa 280 Millionen Küken getötet und vernichtet, davon in Deutschland allein 45 Millionen. Das gilt übrigens auch für

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